„Nichts unnötig rausschmeißen“

von b304

Hohe Versorgungssicherheit beim Heizen erreichen und einen hohen Anteil erneuerbarer Energien einsetzen – nach dieser Devise hat Familie Wajngarten in Neufarn ihr Einfamilienhaus energetisch saniert, ein flexibles Heizsystem sowie eine PV-Anlage installiert und voll auf e-Mobilität umgestellt.

B304.de: Herr Wajngarten, aus welchen Komponenten besteht ihr Energiesystem?

Daniel Wajngarten: Wir haben im September 2021 mit PV (13.6 kWp) und Hausbatterie (11 kWp) angefangen. Dann haben wir den existierenden Kachelofen modernisiert. Zusätzlich haben wir eine Klimaanlage (Klima- Splitgeräte) und einen Gasbrennwertkessel. Die Besonderheit ist, wir können mit Holz, Strom und Gas heizen – je nach Preis und Bedarf. Ich wollte Flexibilität und maximale Unabhängigkeit von einem Energieträger oder einem Energieversorger schaffen, besonders nach der Energiekrise. Das Haus ist von 1994 und wir hatten die Gasheizung schon 2018 modernisiert (Brennwert). Es wäre schade und nicht nachhaltig, die Heizung eventuell zu tauschen. Was wenige Leute wissen, ist, dass Klima-Splitgeräte auch effiziente Wärmepumpen sind (Luft-Luft WP). Die Installation ist nicht so aufwändig. Man muss nicht unbedingt an die Heizkörper ran oder Fußbodenheizung installieren. Dazu sind die Klima-Splitgeräte auch förderfähig! In der Übergangszeit kann ich über die Klima- Splitgeräte auch mit PV-Strom heizen. Ein anderer Vorteil ist, dass ich schnell jedes Zimmer heizen kann, je nach Bedarf. Wenn die Tage sehr kalt sind (unter minus 5 Grad leidet die Effizienz der Klima-SplitGeräte etwas) oder Strom zu teuer ist, kann ich dann mit Gas oder Holz heizen.

Haben Sie am Haus etwas saniert?

Ja, wir haben hier zwei Baumaßnahmen. Das Dach war laut einer Begutachtung durch einen Bauhandwerksbetrieb gut isoliert. Es blieben die Fenster und die Wandisolierung übrig. Da die Fenster eine gute Doppelverglasung, aber relative alte einfache Beschläge hatten, haben wir die Fenster renoviert, indem wir nur die Beschläge getauscht haben. Vorher war ein Pilzkopf pro Fenster. Jetzt haben wir je einen Pilzkopf oben, unten, links und rechts. Das bewirkte, dass die Fenster kaum Zugluft ins Haus ließen und daher gut isoliert haben. Dazu bekamen wir eine bessere Schallisolierung, da sie dichter schließen. Die Kosten waren 25 Prozent von einem kompletten Fenstertausch. Wir hatten im oberen Geschoss die typische Holzverschalung. Wenige wissen, dass in vielen Häusern hinter der Holzverschalung die Ziegelsteine blank liegen (ohne Putzschicht). Das macht aus dem Haus eine Energieschleuder. Wir haben in eigener Leistung die Holzverschalung abgebaut und das obere und untere Geschoss mit Polystyrol isoliert. Ich schätze, dass beide Maßnahmen das Haus sehr nah an die KfW 70 Grenze brachten.

Was ist mit Mobilität?

Wir haben uns von der Verbrennerwelt verabschiedet und fahren beide Autos elektrisch. Wir lieben unser Dorf Neufarn müssen aber zum Arbeiten nach München pendeln. Der Vorteil hier liegt auf der Hand. Früher haben wir pro Auto etwa 100 Euro pro Woche für Sprit ausgegeben. Von Mitte März bis Ende September fahren wir zu 95 Prozent mit eigenem Strom. Im Winter, wenn der PV-Strom nicht ausreicht, nutzen wir einen flexiblen, stündlich börsenbasierten Stromtarif (z.B. Tibber oder Awattar). Der Strompreis ändert sich jede Stunde. So laden wir die Autos und die Hausbatterie, wenn der Strom am günstigsten ist (normalerweise nachts und am Wochenende). Ich habe durchschnittliche Stromkosten von 25 Cent je kWh inklusive der Grundgebühren, wenn ich vom Netz beziehen muss. Das ist gut fürs Portemonnaie und der Strom kommt 100 Prozent aus erneuerbarer Erzeugung. Ich bin sicher, dass flexible Stromtarife sich in Deutschland etablieren werden. In Holland und in Norwegen ist es sehr verbreitet.

Bei allen Modernisierungsmaßnahmen: Was waren die wichtigsten Eckpunkte?

Ich wollte meine eigene Energiewende selbst in die Hand nehmen. Als Ingenieur habe ich in meiner Uni in Brasilien gelernt, pragmatisch und wirtschaftlich an Probleme heranzugehen. Für mich und für die Leute die noch eine gute, neue und funktionierende Heizung haben, können die Klima-Splitgeräte je nach Haussituation eine gute Alternative oder Ergänzung sein. Dazu kann die Fensterrenovierung statt eines kompletten Tausches eine preiswerte und wirksame Möglichkeit sein. Mehrere Energieträger zum Heizen reduzieren die Abhängigkeit von einem Versorger. Dazu kommt die lokale Beschaffung von Holz in unserem Dorf. Lokales Holz und eigener Strom sind 100% erneuerbar. Ein flexibler dynamischer Stromtarif rundet das ganze ab. Ich muss noch Zeit finden, alles mit einem raspberry pi (kleiner Rechner) zu programmieren, um alles zu automatisieren. Aber das kommt noch. Spätestens, wenn mein Sohn oder meine Tochter programmieren lernen wollen.

Herr Wajngarten, besten Dank.