Sven Plöger ist einer der bekanntesten Wetter-Moderatoren des deutschen Fernsehens. Seit über 25 Jahren steht der Diplom-Meteorologe vor der Kamera – unter anderem für „Das Wetter vor Acht“, in den Tagesthemen oder für diverse Dokumentarfilme zum Thema Wetter und Klima. Der Wahl-Ulmer möchte nicht missionieren, sondern Menschen auf unterhaltsame Art und Weise zum Klimaschutz motivieren – “ohne erhobenen Zeigefinger”, wie er uns sagt. Zu sehen ist die Dokumentation „Wie extrem wird das Wetter, Sven Plöger?“ am Montag, 3. Februar, um 20.15 Uhr im Ersten oder in der ARD-Mediathek. B304.de hat sich mit Sven Plöger unterhalten.
Herr Plöger, besuchen die Menschen Ihre Vorträge wegen Ihres bekannten Namens oder wegen des Themas?
Ich vermute, dass das eine Kombination aus beidem ist. Natürlich steht das Thema Klimawandel im Mittelpunkt. Ein Thema, das zwar bei den meisten präsent ist, aber auf einer anderen Zeitskala liegt als die anderen Krisen. Der Klimawandel fällt deshalb leider für viele von uns gerade in seiner Bedeutung zu rück. Mein Ziel ist es, Wissenschaft in eine Sprache zu übersetzen, die jeder versteht. Und durch die vielen Jahre, die ich jetzt im Fernsehen bin, ist Vertrauen entstanden. Das hilft natürlich.
Was treibt Sie an?
Die Klimakommunikation war viele Jahre einzig davon geprägt, eine drohende Apokalypse zu skizzieren. Der Schrecken alleine ist aber nicht hilfreich. Wir sollten uns in der Kommunikation vielmehr darauf konzentrieren, Möglichkeiten aufzuzeigen, etwas zu ändern. Mir ist es wichtig, dass die Leute zu diesem zentralen Thema eine Haltung einnehmen. Dass Klimaschutz eine Bedeutung für sie hat und, dass sie sich damit auseinandersetzen. Mit welchem Ergebnis auch immer.
Haltung durch Unterhaltung?
Das ganze Thema ist hochspannend, man muss das aber nicht trocken erzählen. Bei aller Ernsthaftigkeit kann Humor helfen, den Klimawandel zu erklären und zu verstehen. Humor macht Köpfe auf. Dann bleibt was hängen. Wenn jemand kommt und sagt: „Du musst so und so denken“, dann gibt es eine Art ‚pubertären Widerstand‘. Wird aber Haltung aus Wissen heraus generiert und auch spannend transportiert, dann kann das funktionieren. Ich bin und bleibe Optimist. Wo stehen wir aktuell in Sachen Klimawandel? 2024 war das wärmste Jahr seit 1850. Erstmals lag die globale Durchschnittstemperatur 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau – und damit über dem gesetzten Ziel von 1,5 Grad. Und wir haben es weltweit bislang nur geschafft, die Zunahme von Emissionen zu reduzieren. ‚Zunahme reduzieren‘ heißt übersetzt, dass wir noch nie so viel in die Atmosphäre emittiert haben wie heute. Aber: Mein Blick ist nach vorne gerichtet und wir haben viel mehr Stellschrauben als wir glauben.
Klimaänderungen hat es in der Erdgeschichte immer wieder gegeben, was unterscheidet den „aktuellen“ Klimawandel?
Natürlich hat es das immer schon gegeben, aber die Häufung, die Verdichtung und die Intensität der Katastrophen sind das Thema. Dass Waldbrände wie in Los Angeles diese Dimension erreichen können, hat damit zu tun, dass sich die Luftströmungen auf diesem Planeten ändern und wir in einem Januar, wo es dort normalerweise häufiger regnet, die Fortsetzung einer monatelangen Trockenheit erleben. Und natürlich hat sich auch der Temperaturverlauf in der Erdgeschichte immer verändert, sogar extrem. Aber eben nicht in dieser rasenden Geschwindigkeit. Damit sich die Temperatur verändert, braucht es Energie. Und diese Energie erzeugen wir Menschen durch unser Verhalten in einem Maße, wie es die Natur nicht ansatzweise produzieren kann. Das müssen wir dringend ändern. Aber solange derjenige, der die Umwelt verschmutzt, reicher werden kann, werden wir das Falsche tun.
Heißt was konkret?
Eine dauerhaft nicht nachhaltige Wirtschaft wird unglaublich teuer, denn die Schäden durch Unwetter werden am Ende nicht bezahlbar sein. Studien von Ökonomen zeigen: Jeder nicht vernünftig in den Klimaschutz gesteckte Euro wird später mit 2 bis 11 Euro zurückgezahlt werden müssen. Deshalb ist eine Transformation der Wirtschaft nötig. Und: Die Wirtschaft sind wir alle. Was wir nicht kaufen, wird auch nicht produziert. Wenn wir die Transformation nicht wollen, sollten wir unseren Kindern ins Gesicht sagen: „Dir soll es später einmal schlechter gehen als mir.“ Aber das sagt, und das will, niemand.
Rational alles nachvollziehbar, aber warum verdrängen wir das Thema dennoch gerne?
Das ist evolutionär begründet. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Wir verändern uns ungern, um unsere Kräfte für konkrete Bedrohungen – einst etwa durch einen Säbelzahntiger – zu schonen. Aber die Bedrohung durch den Klimawandel ist, zumindest dann, wenn man, anders als im Ahrtal oder jüngst in Valencia, (noch) nicht direkt davon betroffen ist, zu unkonkret. Irgendjemandem passiert irgendwann irgendwo irgendwas. Wir relativieren sofort: Vielleicht bin ich ja nicht betroffen. Vielleicht kommt es ja doch nicht so, wie die Wissenschaft das annimmt. Das sind Schutzprozesse, um mit dem eigenen Ab warten im Reinen zu sein. Nur: Wenn unsere Wunschwelt auf die physikalische Realität trifft, gewinnt immer die Realität – niemals die Wunschwelt. Deshalb möchte ich Menschen für das Klima Thema begeistern und nicht erschrecken oder abschrecken.
Deutschlands Anteil am globalen CO2-Ausstoß liegt im weltweiten Vergleich nur bei 1,8 Prozent. Sie kennen den Satz.
Korrekt sind es sogar nur 1,79 Prozent. Das ist wenig, damit kann man die Welt nicht retten. Das ist eine der besten Schutzbehauptungen, die man machen kann. Aber nehmen wir mal die Zahl. Wir sind bei 1,8 Prozent, die Chinesen bei knapp 31 Prozent. Es gibt im Moment 1.419 Millionen Chinesen und 83 Millionen Deutsche. Wenn Sie die Zahl durcheinander dividieren, kommt 17,1 raus. Und wenn Sie 17,1 mit 1,8 multiplizieren, ist das Ergebnis knapp 31. Das heißt: Wir emittieren pro Kopf und Jahr exakt das gleiche wie die Chinesen. Wenn wir jetzt auch noch die Dinge, die für uns in China produziert werden, zu unserem CO2-Ausstoß dazurechnen, wäre unsere Bilanz sogar noch schlechter. Beim Klimaschutz immer erst mal auf die Chinesen und andere zu verweisen, reicht eben nicht. Denn im weltweiten Ranking der CO2 Emissionen liegen wir in Deutschland auf Platz sieben – 188 Länder sind also besser als wir. Wir leben in der eben schon erwähnten Wunschwelt und machen so auch unsere Politik. Die Realität entfernt sich aber immer weiter davon, und da liegt die Gefahr.
Sie sind kein Freund von Horror-Szenarien, ich weiß, trotzdem: Von welchem Zeitraum sprechen wir eigentlich?
Sie sind 52 Jahre alt, ich bin 57. Wir werden noch staunen, was wir erleben werden. Das wird nicht lustig. Aber es ist noch nicht zu spät, nur haben wir keine Zeit mehr zu verlieren. Leider aber deutet sich – gerade auch durch Donald Trump – das dringlichst nötige Umdenken nicht an. Vielleicht sollte man die Bedrohungslage deutlicher benennen? Wir haben jahrzehntelang die Vermittlung von Horror-Szenarien durchgeführt, aber es hat nachweislich nicht funktioniert. Die einen sagen, das stimmt ja gar nicht und die anderen machen einfach so weiter wie vorher. Beides ist falsch. Ob wir uns für das Klima interessieren, ist der Natur völlig egal. Es findet einfach Physik statt. Wir müssen verstehen, dass dieser Planet nicht uns, sondern wir ihn brauchen. Ich möchte in der Klimakommunikation Mut machen für eine Transformation hin zur Nachhaltigkeit und dafür Begeisterung wecken. Wir müssen nicht sofort perfekt sein, aber wir könnten in der Sache viel besser sein als wir derzeit sind – und das motiviert mich. Jeder kleine Beitrag zählt!
Herr Plöger, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Markus Bistrick
Fotos: Maike Simon und Sebastian Knoth, Eib Eibelshaeuser
Der Meteorologe Sven Plöger begleitet Forscher an spektakuläre Schauplätze in Grönland, um
herauszufinden, welche Folgen das Geschehen hat. Zu sehen ist die Dokumentation „Wie extrem wird das Wetter, Sven Plöger?“ am Montag, 3. Februar, um 20.15 Uhr im Ersten oder in der Mediathek.