„Kinderbetreuung ist kommunale Pflichtaufgabe“

von b304

Der Haupt-, Umwelt- und Werkausschuss der Gemeinde Haar hat in seiner jüngsten Sitzung erste Maßnahmen des von der Verwaltung der Gemeinde angekündigten Kita-Aktionsplans auf den Weg gebracht. Ziel des Plans ist es, vorhandene, aber aufgrund Personalmangels nicht belegbare Kinderbetreuungsplätze zu aktivieren sowie neue Plätze zu schaffen. Die Warteliste für Eltern, die ihr Kind in einer Krippe oder einem Kindergarten betreuen lassen wollen, ist aktuell sehr lang in der Gemeinde Haar. „Darauf müssen wir schnell und umfassend reagieren”, kommentierte Bürgermeister Dr. Andreas Bukowski eingangs der Sitzung.

Um den bestehenden Kooperationspartnern in Haar bei ihrer personellen Ausstattung entgegenzukommen, diskutierte der Ausschuss zunächst über die Höhe des für die Defizit-Bezuschussung maßgeblichen Personalschlüssels. Sinkt der Personalschlüssel, kann mehr pädagogisches Personal die Kindergruppen der Einrichtungen betreuen, was die Überbelastung der vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduziert. Der Vorschlag der Verwaltung, den Schlüssel von aktuell 9,7 auf den bayernweiten Durchschnitt aus dem Jahr 2021 von 9,16 zu senken, wurde vom Ausschuss mehrheitlich begrüßt. Die abschließende Behandlung darüber wird in der in der kommenden Gemeinderatssitzung am 27. Juni erfolgen, wenn der zusätzliche Ausgabebedarf genauer berechnet ist.

Springerkräfte könnten Situation verbessern

Auch die Einstellung von Springerkräften ist Teil des vorgeschlagenen Kita-Aktionsplans. Diese würden in den Einrichtungen kurzfristig fehlende pädagogische Fachkräfte zeitlich begrenzt ersetzen. Dadurch könnte die Zahl der Kinder, die betreut werden können, erhöht werden. Krankheitsbedingte Schließungen oder Verkürzungen der Öffnungszeiten, die oftmals für Eltern eine starke Belastung darstellen, könnten dadurch reduziert werden. Der Ausschuss folgte den Ausführungen der Verwaltung der Gemeinde Haar und beauftragte diese, bis zur kommenden Gemeinderats-Sitzung weitere Details auszuarbeiten.

Grünes Licht gab der Ausschuss des Weiteren für die Trägerschaften der Kitas in der Sofienstraße und in der Ferdinand-Kobell-Straße: Beide werden künftig von der Gemeinde Haar betrieben, die Einrichtung in der Ferdinand-Kobell-Straße bereits ab dem 1. September 2023, die Einrichtung in der Sofienstraße ab dem 1. Januar 2024.  Schließlich will die Gemeinde Haar auch die Arbeitsbedingungen der pädagogischen Kräfte in den von der Gemeinde betriebenen Kitas verbessern. So beauftragte der Ausschuss die Verwaltung, bis Ende Juni sechs Vorschläge aus einem Antrag der CSU-Fraktion zu prüfen. Diese Vorschläge zielen darauf ab, gute Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen und attraktive Vergütungspakete für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schnüren.

Der angekündigte Kita-Aktionsplan der Gemeinde Haar wird auch Vorschläge und Ideen für den Bau neuer und der Sanierung bestehender Einrichtungen enthalten. Einige davon stehen bereits auf der Tagesordnung der Bauausschuss-Sitzung des Gemeinderats am 20. Juni. Auch hier könnte die darauffolgende Gemeinderats-Sitzung bereits erste Weichen stellen. Am 28. Juni wird die Gemeinde dann wiederum Eltern und Interessierten im Rahmen eines Informationsabends im Bürgerhaus ab 18.30 Uhr den Kita-Aktionsplan vorstellen und ausführlich Gelegenheit zur Diskussion geben.

Kinder sollen oberste Priorität haben

“Kinderbetreuung ist kommunale Pflichtaufgabe”, betonte Dr. Peter Siemsen, Ortsvorsitzender FDP Haar, in der Gemeinderatssitzung vom 13. Juni. Die FDP fordert, der Schaffung von Betreuungsplätzen im Haushalt oberste Priorität einzuräumen. Maßnahmen wie die Verbesserung des Anstellungsschlüssels für pädagogische Fachkräfte oder die gemeindliche Übernahme der Trägerschaft über die Kindertageseinrichtung in der Ferdinand-Kobell-Straße dürften nicht durch unnötige Bewertungs- und Abstimmungsschleifen verzögert werden. „Wir stehen bei den
Eltern in der Pflicht“, plädierte Siemsen für die zügige Ermächtigung des Bürgermeisters, die
notwendigen Schritte für einen nahtlosen Weiterbetrieb der Einrichtung einzuleiten. Doch werden die in der Sitzung des Hauptausschusses diskutierten Maßnahmen ausreichen, um dem
akuten Mangel in der Kinderbetreuung wirksam zu begegnen? „Angesichts des Fehlens von über 150
Betreuungsplätzen müssen schnellstmöglich weitere Ideen auf den Tisch“, so Siemsen. Aufgrund des
bestehenden Mangels an Raumressourcen sei wie in anderen Kommunen auch in Haar der Einsatz
von Bauwagen- und Containerlösungen sowie die Einrichtung von Naturgruppen zu prüfen. Letztere
könnten an bestehende Betreuungseinrichtungen angeschlossen werden und würden deren Räume
nur bei schlechtem Wetter benötigen. Auch bei der Nachmittagsbetreuung der Haarer Grundschüler besteht Handlungsbedarf. Siemsen rechnet damit, dass der Geburtenpeak im Corona-Jahr 2021 bei Eintritt des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Schuljahr 2026/27 ebenfalls zu massiven Engpässen führen wird, wenn nicht bald konzeptionell gegengesteuert werde. Sprengelübergreifende Kooperationskonzepte sind aus seiner Sicht dringend in die Betrachtungen aufzunehmen.

Bündnis90/Die Grünen: Probleme schon lange absehbar!

Für Ulrich Leiner, für Bündnis90/Die Grünen im Haarer Gemeinderat und zweiter Bürgermeister, kommt das Betreuungsproblem für Kinder in Haar, nicht überraschend. Ein Grund des Problems liege für ihn zwar darin, dass es deutschlandweit und auch im Großraum München zu wenige Fachkräfte gäbe. Ein anderer sei jedoch “hausgemacht”, so der Politiker: ” Es gibt in Haar seit drei Jahren keine vorausschauende Planung mehr. Erinnert sei an die völlig unnötige Schließung der Einrichtung an der Sofienstraße, der Verzicht darauf, den Platzbedarf wenigstens näherungsweise zu prognostizieren oder sich endlich um den Aufbau der erforderlichen Strukturen für die Nachmittagsangebote von Grundschulkinder zu kümmern.” Die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen fordere dies seit Jahren im Gemeinderat: “Wir haben dafür plädiert die Einrichtung an der Sofienstraße offen zu halten, wie haben vor rund eineinhalb Jahren eine konzertierte Aktion zur Planung der Nachmittagsangebote für Grundschulkinder gefordert und fragen regelmäßig nach dem prognostizierten Platzbedarf, damit der Gemeinderat die erforderlichen Schritte in die Wege leiten könnte.”

Seine Partei begrüße es zwar sehr, dass sich das Rathaus mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit und insbesondere an die Familien wendet, sei aber ziemlich verwundert über die darin enthaltenen Aussagen: “Maßnahmenplan nimmt Form an” heißt es dort beispielsweise. Leinert dazu: “Bisher gab es im Gemeinderat nur vage Hinweise darauf, dass auf Seiten des Bürgermeisters und des zuständigen Sachgebiets Überlegungen zu möglichen Maßnahmen angestellt werden. Alle Nachfragen wurden mit dem Hinweis, dass es noch zu früh sei, Konkretes zu sagen, zurückgewiesen. Also es gibt keinen Maßnahmenplan oder aber der Gemeinderat wird in seiner Funktion nicht ernst genommen, wenn mögliche Maßnahmen bereits ohne die Beratung im Gemeinderat verkündet werden.”

Hat das Maßnahmenpaket Substanz?

Noch ein weiteres Problem haben DIE GRÜNEN mit der Presseerklärung aus dem Rathaus Haar. Hier würden – ohne zu wissen, ob man es sich leisten könne – erhebliche Ausgabensteigerungen angekündigt. “Wie will der Bürgermeister es den Eltern erklären, wenn am Ende das Geld nicht da ist, um seine Versprechungen zu bezahlen? Wie schön, dass das Sachgebiet mit den in Haar tätigen Kita-Trägern spricht. Wenn eine solche Selbstverständlichkeit bereits eine herausgehobene Meldung wert ist, dann stellt sich die Frage, wie viel Substanz die Pläne bisher haben.”

Mit “ungelegten Eiern” Hoffnung zu machen ist aus Leinerts Sicht kein guter Stil in der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Es war Mike Seckinger, von den Grünen, der in einem Gremium des Gemeinderats darauf aufmerksam gemacht hat, dass der Personalschlüssel in Haar (1: 9,7) schlechter ist als im bayernweiten Durchschnitt (1:9,24). Die Verwaltung wurde aufgefordert eine Abschätzung vorzulegen, wie hoch die Mehrkosten bei einer Anpassung an den bayerischen Durchschnitt wären. Die Antwort steht bis heute aus.

Noch ein Problem haben wir mit der Presseerklärung. Hier werden – ohne zu wissen, ob wir es uns leisten können – erhebliche Ausgabensteigerungen angekündigt. Wie will der Bürgermeister es den Eltern erklären, wenn am Ende das Geld nicht da ist, um seine Versprechungen zu bezahlen?

Wie schön, dass das Sachgebiet mit den in Haar tätigen Kita-Trägern spricht. Wenn eine solche Selbstverständlichkeit bereits eine herausgehobene Meldung wert ist, dann stellt sich die Frage, wie viel Substanz die Pläne bisher haben.

Mit ungelegten Eiern Hoffnung zu machen ist aus unserer Sicht kein guter Stil in der Kommunikation mit den Bürger:innen. Gespräche mit einem Träger, den noch niemand kennt, als großen Schritt zur Bedarfsdeckung zu benennen oder die Eröffnung von Großtagepflegestellen anzukündigen, ohne das dafür erforderliche Personal oder die Räume zu haben, weckt Hoffnungen, die zurzeit – nach unseren Informationen – noch ohne Substanz sind.