Mit ihrem Blütenzauber schmücken Kartoffelfelder unsere Landschaft. Zwei Jahrhunderte lang zählte die Kartoffel zu den typischen Ackerbaufrüchten der Münchener Schotterebene. Ist der Boden auch steinig und die Ackergrume flachgründig, die Knollen gedeihen darauf prächtig. Maßgeblichen Anteil für den großflächigen Kartoffelanbau hatten unsere Brennereien. Augustin Königer, Posthalter und Gutsbesitzer in Parsdorf, errichtete 1827 die erste Kartoffelbrennerei im Gemeindegebiet. 12 weitere folgten.
Die Alkoholherstellung ermöglichte den Landwirten zusätzliches Einkommen. Besonderen Wert legte man aber auf das Abfallprodukt Kartoffelschlempe. Als wertvolles Viehfutter stand es über die Wintermonate zur Verfügung und ermöglichte eine Ausdehnung der Viehhaltung. Besondere Bedeutung erlangte die Abmelkwirtschaft. Im Herbst wurde von Weideregionen Magervieh zugekauft, während der Brennsaison gemolken und letztendlich als ausgemästete Schlachtkühe verkauft.
In Folge des vorgeschriebenen Schlempe-Dünger-Kreislaufs, musste der angefallene Dung auf eigene Felder ausgebracht werden. Zusätzlicher Dünger führte wiederrum zu deutlichen Ertragssteigerungen. Um möglichst vielen Landwirten diese neue Art der Kartoffelverwertung zu ermöglichen, entstanden vor gut hundert Jahren in unseren Dörfern die ersten von fünf Genossenschaftsbrennereien. In Sichtziegelbauweise errichtet, erlaubten sie fabrikmäßige Produktionsbedingungen.
Vielen Landwirten brachte der Beitritt zur Brennereigenossenschaft eine wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Mit den Brennereien wurde der Kartoffelanbau deutlich ausgeweitet. In Notzeiten standen zusätzliche Kartoffelmengen für die Volksernährung zur Verfügung. Somit hatten die landwirtschaftlichen Kartoffelbrennereien auch wesentlichen Anteil an der Ernährungssicherung. Seitdem gab es in unserem Lande kaum noch größere Hungersnöte.
Ein Blick in die Gemeindefluren zeigt uns heute, dass die Kartoffelfelder rar geworden sind. Den Kartoffelbrennereien, einst der Stolz der Brennereigenossen, gepflegt und Blickfang in den Ortschaften, wird das Sterbeglöckchen geläutet. Weit über 100 Jahre alte Genossenschaftseinrichtungen werden Opfer der weltweiten Globalisierung. Schon die Aufhebung des Schlempe-Verfütterungsgebots bewirkte gewaltige Veränderungen in unseren Dörfern. Die Viehställe leerten sich und Handwerker und Firmen kamen in aufgelassenen landwirtschaftlichen Gebäuden unter. Ein geplanter Handwerkerhof in Vaterstetten erübrigte sich.
In einigen Ortschaften wedelt heute kein Kuhschwanz mehr. Was wird wohl aus den Brennereigebäuden, die heute wie Denkmäler für die Blütezeit des Kartoffelanbaus stehen?