“Jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich!” sagt Glückscoach Birgitta Engler. Sie motivierte die Besucher des zweiten Haarer Handicap-Treffs zu so viel Eigeninitiative wie möglich, um Krisen zu widerstehen und an neuen Herausforderungen zu wachsen. “Carpe diem – Lebe im Jetzt”, knüpfte sie nahtlos an das Motto der Veranstaltung an. Und die rund 30 Gäste mit und ohne Behinderung fühlten sich direkt abgeholt und wollten gerne über ihr Carpe diem berichten.
Verreisen trotz Rollstuhl beispielsweise ist für ein Paar aus Unterhaching kein Problem. “Wir verbringen unsere Winter immer auf Teneriffa – mit Sack und Pack!”, sagen sie Und das, obwohl das “Pack” in ihrem Fall ziemlich groß ausfällt – wohlgemerkt gleich zwei Rollstühle müssen mit! Uta und Bernd haben nämlich beide ein Handicap. Kennengelernt haben sie sich natürlich auch auf den Kanaren, in ihrem barrierefreien Lieblingshotel Marysol. Deshalb wird Teneriffa für sie auch immer ein persönlicher Kraftquell bleiben.
Eine Reise anderer Art hat special guest Ingrid Röser hinter sich. Seit einem Lkw-Unfall vor eineinhalb Jahren kämpft sie sich zurück ins Leben – ein Lastwagen hatte sie übersehen und niedergefahren. Wochenlang rangen die Ärzte um ihr Leben. Jetzt muss die quirlige Frau mit nur noch einem Bein zurechtkommen und ist auf Hilfe angewiesen. Zum Handicap-Treff brachte sie ihr Mann mit dem Rollstuhl. “Gottseidank habe ich meinen fantastischen Klaus, der das alles mitmacht”, sagt die ehemalige Grasbrunner Gemeinderätin. Und: “Leicht ist es nicht, als starke Frau plötzlich abhängig zu sein – abhängig von einer oft verständnislosen Umwelt und, fast noch schlimmer, der deutschen Bürokratie und einem aufgeblasenen, trägen Gesundheitssystem.” Fast trotzig fügt sie hinzu: “Aber ich lebe noch, und wir lassen uns nicht unterkriegen!”
Nicht unterkriegen lassen will sich auch die Familie von Paul. Der Zwanzigjährige musste ebenfalls eine Bein-Amputation nach Infektion über sich ergehen lassen, kam nur haarscharf mit dem Leben davon. Mama Petra leistet täglich Übermenschliches, um ihrem, seit Geburt schwerstbehinderten Sohn zur Seite zu stehen. Aktuell sucht der hochintelligente Paul sehnsüchtig nach einem Praktikumsplatz in der IT. Mama Petra ermuntert ihn täglich, nicht aufzugeben. Auch sie wünscht sich mehr Verständnis von Umwelt, Behörden und Krankenkassen.
Die stets fröhliche Natascha weiß seit einem Skiunfall, was es heißt, angewiesen zu sein und wo die Schwachstellen des sozialen Netzwerkes sind. Weil sie nach langen Behandlungen, noch im Rollstuhl, das Krankenhaus verlassen musste, ihre Wohnung aber nicht barrierefrei zugänglich war, wurde sie in einem Pflegeheim zwischengeparkt. Für die junge Frau ein Erlebnis der besonderen Art! Heute kann sie nachvollziehen, was Rücksichtnahme und ehrliches Verständnis für Menschen mit Handicap bedeuten.
Glückscoach Birgitta Engler betonte an dieser Stelle erneut, dass Schicksalsschläge vielen Menschen, nach dem ersten Schock, auch ungeahnte Kräfte verleihen können. Und dies sei eine gute Grundlage für den Weg zum eigenen Glück.
Moderatorin Bettina Endriss-Herz, selbst Rollstuhlfahrerin und Vorsitzende des Behindertenbeirats, konnte dem nur zustimmen. Sie berichtete von viel positiver Energie, die ihr zuteil wurde, im Engagement für Herzensangelegenheiten. Dazu zählen für sie ihre politische Arbeit ebenso wie die für die Haarer KinderUni (www.kinderuni-haar.de). Mit einer to do Liste sei sie ständig dabei, Energie-Pools zu kreieren durch Konzentration auf Dinge, die bereichern. Und Menschen mit Handicap zu helfen, sei allemal sehr bereichernd.
Die anwesenden Vertreter aus dem Behindertenbeirat sahen das ebenso: Deshalb habe man jetzt auch einen Vortrag organisiert – für Menschen mit dem Handicap “Depression”. Am Mittwoch, 9.November, lädt Hans Eittinger ein zum Thema “Wenn die Seele Trauer trägt”. Veranstaltungsort ist der Seniorenclub am Kirchenplatz, 19.00 Uhr. Gewonnen werden konnte dafür ein bekannter Experte aus dem Isar Amper Klinikum.
Resümee nach eineinhalb Stunden Sonntags-Austausch: Was für ein inspirierendes, bereicherndes, erfüllendes Zusammentreffen interessanter Menschen war dieser Handicap-Treff wieder.
Der nächste Handicap-Treff findet am 04.12.22, Sonntag, 11.15 Uhr, wieder im Gemeindesaal der Jesuskirche statt.