„Haar – Identität und Wandel“

von b304

Das Interesse an der wirklich sehenswerten Fotoausstellung „Identität & Wandel: Haar 1972 | 2020″, die noch bis zum 21. April im ehemaligen “Maria Stadler Haus” zu sehen ist, ist ungebrochen. Besonders die Führungen durch Altbürgermeister Helmut Dworzak sind gefragt. Nachdem bei der letzten geführten Besichtigung rund 50 Interessierte dabei waren, hat sich Helmut Dworzak kurzfristig dazu entschlossen, noch eine letzte öffentliche Führung anzubieten:
Am letzten Tag der Ausstellung, dem 21. April, um 17 Uhr empfängt Helmut Dworzak noch einmal Gäste im Foyer des Haus D (Salmdorfer Str. 2), um mit ihnen den Fotovergleich zu beginnen. Natürlich weiß der langjährige Bürgermeister eine Menge Geschichten rund um die auf den Fotos abgelichteten Haarer Plätze und Gebäude zu berichten.

Damals und heute
Die Gemeinde Haar in den frühen 70er-Jahren – wie hat sie ausgesehen? Selbst die Menschen, die damals schon im Ort unterwegs waren, haben im Laufe der Jahrzehnte die eine oder andere Ecke mit Sicherheit vergessen. Die Fotoausstellung „Identität und Wandel 1972 | 2020“ gibt durch fotografisch-künstlerische Gegenüberstellungen jede Menge „Erinnerungshilfen“ für alteingesessenen Haarerinnen und Haare – und für Zugezogene einen besonderen Einblick in die städtebauliche Entwicklung der
Gemeinde.
Die Fassade der Bahnhofswirtschaft war räudig, in der Ortsmitte prangte statt dem Wort „Bürgersaal“ der Schriftzug „Insel-Film“, im frischgebauten Jagdfeld kämpften ein paar unscheinbare Bäumchen gegen viel Mauerwerk an. Dafür gab es einige legendäre Wirtschaften und Cafés, die heute verschwunden sind. Nein, es war keinesfalls alles schlecht in den 70ern in Haar. Städtebaulich war dieses Jahrzehnt aber vor allem der Startschuss für einen Umschwung: Zum einen entstand das Jagdfeld, das gut 6.000 Personen ein Zuhause bieten sollte – und sich trotzdem wohltuend durch
eine zu Ende gedachte Planung von anderen „Hochhaussiedlungen“ dieser Zeit bis heute abhebt. Auch die Bäume sind mittlerweile groß und ortsbildprägend. Zum anderen startete vor 50 Jahren eine besondere Idee in Haar: Hier sollte „Altes“ nicht mehr nur einfach abgerissen, sondern erhalten, ergänzt und damit aufgewertet und ortsbildprägend bzw. -erhaltend werden. Die Innenentwicklung wurde über die Außenentwicklung gestellt, man wollte lieber höher bauen, als Grünflächen zuzustellen. Auch hier wurde vieles zu Ende gedacht.

Die gleiche Tour – nur knapp 50 Jahre später
Die Bilder im Foyer des neuen Technischen Rathauses (Salmdorferstr. 2/ehemaliges Maria-Stadler-Haus) erzählen Geschichten. Und das in vielerlei Hinsicht: menschliche, politische, städteplanerische. Genau für all das steht auch derjenige, der das Projekt angelegt hat: Altbürgermeister und Ehrenbürger Helmut Dworzak. Er ist 2020 mit seiner Kamera losgezogen und hat fotografiert. Aber keinesfalls wahllos oder nach eigenem Geschmack. Denn diese Fototour hatte er knapp 50 Jahre zuvor schon einmal gemacht – allerdings war Dworzak nur die Begleitung für den, der damals am Auslöser war: Peter Eisfeld war ein Weggefährte des jungen Helmut – ein herausragender leider längst verstorbener Fotograf. Anlässlich der 900-Jahr-Feier hat er echte „Alltagsecken“ in Haar abgelichtet – mit einer Hasselblad-Kamera.

Eisfelds Ausstellung: kein Ankommer – und trotzdem ein Auslöser
„Peter Eisfeld hatte keine inhaltlichen Vorgaben, auch nicht die Absicht, besonders Hässliches zu dokumentieren“, betonte Helmut Dworzak auf der Vernissage. Es ging ihm schlichtweg um einen objektiven Spiegel. Die Motive waren mehr zufällig als strukturiert. Er entschied sich für Schwarzweiß-Fotografie, nahm die Fassaden direkt, minimalistisch im Stil. Die Jahreszeit: Spätherbst. Tristesse obendrauf. „Die Ausstellung löste – vorsichtig ausgedrückt – keine große Begeisterung aus“, erklärt Dworzak lachend. Die Jungsozialisten von damals – einer davon der heutige Altbürgermeister – habe das „klammheimlich sogar gefreut“. Aber je länger sie diese Fotos betrachteten, löste das auch bei
ihnen Betroffenheit aus. „Was einen alltäglich umgibt, wird zur Gewohnheit. In der Bahnhofswirtschaft gab es den besten Schweinebraten, den baulichen Zustand nahm man hin. Aber diese Bilder aus Peters Blickwinkel wirkten wie ein Brennglas: Haar grau in grau, oft banale Architektur, keine gestalteten
öffentlichen Räume“ erinnert er sich. Ein Ansporn für die damaligen Jusos. Was daraus geworden ist? Helmut Dworzak hat es aus dem gleichen Blickwinkel nachfotografiert, somit dokumentiert und gemeinsam mit Ute Dechent – ehemals Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit – und Archivarin Kirsten Stahmann in eine beeindruckende Ausstellung gepackt.

Großer Andrang bei der Vernissage
Wie sehr die Fotos den Nerv der Haarerinnen und Haarer treffen, hat schon die Vernissage gezeigt. Die Räume waren sehr gut gefüllt. Und vor jedem Bild waren Trauben von Menschen zu beobachten, die miteinander in der Vergangenheit schwelgten und über die Entwicklung diskutierten. Das Fazit zum Gezeigten fiel nicht durchweg identisch aus. Über die Ausstellung war man sich aber einig: absolut sehenswert.
Fotoausstellung „Haar – Identität und Wandel 1972 | 2020“ im Rathaus, Haus D (Salmdorfer Str. 2) vom 02.03. – 21.04.2023

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 07:30 – 12:00 Uhr, Mittwoch auch
15:00 – 18:00 Uhr

Der Eintritt ist frei