Wenn Sherif El Masry am 24. Dezember die Tür seines Ateliers in der Karl-Böhm-Straße in Baldham zum letzten Mal abschließt, endet eine Ära – 13.800 Tage Goldhandwerk, voller Glanz, Geduld und Geschichten. Nach über 37 Jahren geht der Goldschmied jetzt in den Ruhestand. Noch bis Weihnachten gewährt er 20 Prozent Rabatt auf seine Stücke.
„Ich bin jeden Tag gern in die Arbeit gegangen“, sagt der 68-Jährige und lächelt. „Die Begegnungen mit meinen Kunden, die vielen Gespräche und Erlebnisse, das wird mir fehlen.“ Das Atelier ist auffällig eingerichtet – Vitrinen aus stählernen Abflussrohren, Werkzeuge mit Patina, ein stattlicher Safe, der bald „arbeitslos” wird. Auf dem Tisch liegt sein Skizzenbuch voller Entwürfe, asymmetrisch, lebendig. „Ich mag’s, wenn etwas Charakter hat“, sagt er.
El Masrys Leidenschaft für edle Steine ist spürbar. Besonders liebt er Turmaline – „sie sind so facettenreich wie das Leben. Ich liebe es, wenn sie Einschlüsse haben, auch wenn das ihren Wert mindert. Einschlüsse geben Leben“, sagt er. Und er gibt zu: „Bei Opalen werde ich immer schwach.“
Eigentlich wollte El Masry, geboren in Liverpool und bis zu seinem 9. Lebensjahr aufgewachsen in Kairo, Zahntechniker werden, doch es gab zu wenige Lehrstellen. Fast schon ein wenig frustriert durch die erfolglose Jobsuche klopfte er mit 19 Jahren bei EVO Edelmetalle in Baldham an – dort wo heute ein Chinarestaurant steht. Kurz geplaudert – und El Masry hatte seine Lehrstelle. Nach nur einem Jahr wusste er: „Der Zahntechniker ist durch.“ Seine Ausbildung verkürzte er – vermutlich liegt das Talent im Blut, auch sein Großvater mütterlicherseits war Goldschmied, ebenso sein jüngerer Bruder.
Seine Frau Andrea, Physikerin, hätte sich gewünscht, dass er „zwei, drei Jahre früher aufgehört hätte“. Nun ist es soweit – und beide freuen sich auf mehr gemeinsame Zeit, auch mit ihrem kleinen Enkel.
Die Ausbildung bei EVO prägte den Goldschmied, ebenso wie die spätere Zeit bei Rave, einer renommierten Adresse für Schmuck und Uhren. Dort verfeinerte er sein Können und machte seinen Meister, bevor er am 15. März 1988 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Seit November 1992 ist das Atelier von El Masry in der Karl-Böhm-Straße zu Hause. Drei langjährige Mitarbeiter, Goldschmiedemeisterin Sabine Kröck und Goldschmied Hans Maier sowie Dorothea Mußer (Verkauf und Büro) sind bis heute an seiner Seite. Sie sind Zeuge, wenn zuweilen auch kuriose Wünsche an El Masry herangetragen werden: So schlug einst ein Kunde mit einem Gedicht über einen Schmetterling, der zu nah ans Feuer geflogen war, im Atelier auf und wünschte auf dieser Basis ein Schmuckstück.
„Eigentlich schade, dass ich mein Wissen nicht weitergeben kann“, sagt er nachdenklich. „Aber es gibt kaum mehr Nachwuchs.“
In den kommenden Jahren möchte Sherif El Masry mit seiner Frau vor allem endlich reisen: in den Oman, in die Türkei. „Wir sind seit über 40 Jahren begeisterte Wohnmobilisten – jetzt haben wir endlich Zeit dafür.“
Und wie jedes Jahr bekommt seine Frau zu Weihnachten ein Schmuckstück – selbst entworfen und gefertigt. Seine Werkstatt wird stiller werden. Doch der Glanz seiner Arbeit bleibt.
