Die Mehrheit im Haarer Gemeinderat hat sich jüngst dafür ausgesprochen, dass die Gemeinde Haar eine Stadt werden soll. Für Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) wäre das eine „Auszeichnung“ für die „positive Entwicklung“ der Gemeinde. Dieser Meinung sind nicht alle. Kritiker sprechen von einem „Marketing-Gag“ und verweisen unter anderem auf die bewusst erhaltene, überwiegend dörfliche Struktur. Dass das bayerische Innenministerium dem Antrag zur „Stadterhebung“ zustimmt, ist allerdings ohnehin eher unwahrscheinlich. Das Stadtprivileg wird nur äußerst zurückhaltend verliehen, im Landkreis München zuletzt vor 22 Jahren an Unterschleißheim. Gerade im Raum München will man eine Flut von Stadterhebungen vermeiden. Doch was hat es mit der Verleihung des Stadtrechts überhaupt auf sich? Welche Rechte gehen damit einher, welche Pflichten? Ist es überhaupt erstrebenswert, „Stadt“ genannt zu werden? Und könnte die Gemeinde Haar auch für Vaterstetten ein Vorbild sein?
Im Landkreis Ebersberg gibt es gerade einmal zwei Städte. 1953 wurde aus dem „Markt Grafing“ eine Stadt, aufgrund des starken Wachstums in den 1950er Jahren folgte Ebersberg am 12. Juni 1954. Mit Abstand größte Kommune im Landkreis ist die Gemeinde Vaterstetten – seit 2011 die nach Unterhaching zweitbevölkerungsreichste Gemeinde Bayerns, die weder die Bezeichnung Stadt noch Markt führt. Mindestens 15.000 Menschen sollten in einer Gemeinde leben, die Stadt werden möchte, so will es der Bayerische Gemeindetag. Vaterstetten liegt mit rund 24.000 klar darüber. Ein wichtiges Kriterium für den Schritt von der Gemeinde zur Stadt überschreibt der Bayerische Gemeindetag mit dem Schlagwort „Siedlungsform“. Eine dörfliche Siedlung kann schlecht Stadt werden. Im Bereich „Siedlungsform“ ist allerdings auch von Bedeutung, ob eine Gemeinde über öffentliche Einrichtungen verfügt, die nicht nur der Deckung des örtlichen Bedarfs dienen, etwa Gesundheitsvorsorge und Einkaufsmöglichkeiten. Weiteres Beispiel: Schulen. Vaterstetten hat Realschule und Gymnasium sowie vier Grundschulen und eine Mittelschule.
Vaterstetten fehlt ein Zentrum
Was Vaterstetten allerdings eindeutig fehlt, ist der geforderte bedeutsame Ortskern. Ein echtes Zentrum ist nicht einmal in Sicht. Definitiv nicht dienen kann die Gemeinde außerdem mit markanten historischen Besonderheiten. Es gibt weder Burg, noch Schloss, noch Kloster. Neben Einwohnerzahl und Siedlungsform sind für die Stadterhebung die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Gemeinde von Bedeutung. Gibt es außer Handwerks- und Handelsbetrieben auch Dienstleister und Industrie am Ort? Ist die Wirtschaftsstruktur insgesamt städtisch? Darüber ließe sich diskutieren.
Aber was ändert sich eigentlich durch die „Stadterhebung“?
Nicht viel, außer dass es im Rathaus neue Stempel und an den Straßen neue Ortsschilder braucht. Eine in einem Landkreis gelegene Stadt erweitert nicht ihre Rechte, dies ist nur bei einer kreisfreien Stadt oder bei einer Großen Kreisstadt, wie es Dachau ist, der Fall. Der Gemeinderat heißt dann Stadtrat, Aufgaben und Größe des Gremiums bleiben unverändert. Gleiches gilt für die Bezüge der Gewählten. Auch die Entlohnung eines Bürgermeisters richtet sich nach der Einwohnerzahl, einerlei ob Gemeinde oder Stadt. Und der Bürgermeister wird auch nicht Oberbürgermeister, nur weil er nun an der Spitze einer Stadt und nicht länger einer Gemeinde steht.
Gründe für eine „Stadterhebung“?
In erster Linie bemühen sich Gemeinden um den Titel „Stadt“, um etwas fürs Image zu tun. Viele erhoffen sich einen Standortvorteil. Der neue Status soll Orte für Unternehmen attraktiver machen.
Und was denkt Vaterstettens Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) über eine „Stadterhebung“?: „Für uns ist das kein Thema, welches wir ernsthaft verfolgen, weil sich dadurch auch keine Vorteile ergeben.“ Die Gemeinde Haar hatte sich übrigens vor 20 Jahren schon einmal um den Status „Stadt“ bemüht. Damals wurde der Antrag abgelehnt.