Es geht um Leben und Tod

von Markus Bistrick

Es nützt nichts, das Ende zu verdrängen – es holt uns irgendwann ein. Der Tod gehört zum Leben. Das wissen wir. Trotzdem wird das Sterben tabuisiert – mit der Folge, dass manch einer panische Angst vor dem Tod hat. Und gerade jetzt, wo die Tage wieder kürzer werden, verdunkelt sich bei vielen auch die Seelenlage. Der November gilt als Trauer- und Totenmonat, als Zeit der Nachdenklichkeit und Melancholie. Da putzt man die Gräber raus, zündet Kerzen an und gedenkt aller Verstorbenen. Dabei wäre es durchaus angebracht, auch dem eigenen Ende etwas Beachtung zu schenken und beispielsweise über Wünsche für die eigene Bestattung zu sprechen. Das sagt Andreas Frank, seit April 2023 Chef der gemeindlichen Friedhöfe in Vaterstetten und damit unter anderem zuständig für über 3.000 Gräber. Im B304.de-Gespräch lüftet der 44-jährige Pöringer die letzten Geheimnisse rund um die letzte Ruhe. Sterbenslangweilig denken Sie? Von wegen! Oder hätten Sie gewusst, dass die Einäscherung einer einzigen Leiche so viel Energie verbraucht wie eine Waschmaschine bei durchschnittlichem Betrieb in zwei bis drei Jahren?

Herr Frank, gibt es bei der Sterbefallrate bei uns vor Ort Schwankungen?

Andreas Frank: Ja, das hängt im Wesentlichen immer vom Jahrgang der Besiedelung größerer Gebiete ab. In Vaterstetten haben sich viele Menschen in den 70er Jahren niedergelassen, damals junge Familien. Diese Generation ist jetzt in einem Alter, in dem sie verstirbt. Deswegen haben wir momentan eine hohe Rate an Beerdigungen – im Schnitt sind es zwei pro Tag. Manchmal vier, selten keine.

Muss man eine Beisetzung / einen Todesfall eigentlich öffentlich bekanntgeben?

Nein, das ist jedem selbst überlassen, ob er das publik machen will oder nicht, und ob man sich im engsten Familienkreis verabschieden möchte oder mit einer größeren Trauerfeier – die ist keine Pflicht, sie kostet ja auch Geld. Zwingend müssen sie aber als Angehöriger – und das spätestens am dritten Werktag nach dem Tod – das zuständige Standesamt informieren. Es stellt die Sterbeurkunde aus, die unter anderem für spätere Vertragskündigungen wichtig ist.

Andreas Frank auf dem Friedhof Vaterstetten, der eine Gesamtfläche von 31.111 Quadratmetern umfasst und sich an der Johann-Sebastian-Bach-Straße befindet. Der Friedhof ist in drei Teile gegliedert: Der älteste Teil ist traditionell angelegt. Die Einfach-, Zweifach- oder Dreifachgrabstätten sind durch Hecken abgeteilt. In allen Friedhofsabschnitten unterscheiden sich die Grabfelder durch unterschiedliche Gestaltungsvorschriften. Der mittlere Teil ist mit vielen Bäumen und Kleingehölzen bewachsen und parkähnlich gestaltet. Der neue Teil ist offener gestaltet und in den Grabfeldern können Einfach- oder Zweifachgräber angelegt werden. (Foto: Ilona Stelzl / B304.de)

Dürfen eigentlich nur Kommunen Bestattungen durchführen?

Ja, niemand sonst. Anders als die großen Städte verfügen viele Gemeinden aber nicht über die finanziellen und personellen Möglichkeiten. Daher wird diese hoheitliche Aufgabe, wie manch andere auch, ausgeschrieben und für eine gewisse Zeit an einen externen Dienstleister vergeben. Bei uns in Vaterstetten ist das derzeit die Firma Denk. Das heißt aber nicht, dass man sich seinen Bestatter nicht frei aussuchen kann – für die Wahl des Sargs, die Sterbebildchen, die Organisation der Trauerfeier, auch die Ansprache am Grab usw.. Aber die technischen Tätigkeiten auf dem Friedhof – etwa der Aushub und das Versenken des Sargs oder der Urne – das darf aktuell eben nur die Firma Denk, weil sie in unserem Auftrag handelt.

Was passiert eigentlich, wenn ich mir den Tod nicht leisten kann?

Wenn jemand verstirbt, der mittellos war und definitiv niemand hatte außer der Sozialhilfe, dann gibt es eine Bestattung von Amtswegen. In Vaterstetten haben wir ungefähr zehn Sozialbestattungen im Jahr. Das sind in der Regel Heimbewohner. Da wird aber immer zunächst geprüft, ob es wirklich keine Angehörigen gibt. Das geht bis zu Neffen und Nichten, die rechtlich vom Verwandtschaftsgrad her noch für die Bestattungskosten aufkommen müssen. Übrigens unabhängig davon, ob die mit dem Verstorbenen ein gutes Verhältnis hatten oder gar keins.

Bevor Sie in die Friedhofsverwaltung nach Vaterstetten gewechselt sind, waren Sie bei der Stadt München im Bestattungs- und Friedhofssektor tätig. Woher kommt die Leidenschaft für den Tod?

Das hat sich in meiner Laufbahn als Verwaltungsbeamter so ergeben – ist aber definitiv ein äußerst interessantes Berufsfeld – da haben sie es mit Naturschutz, Hausmeistertätigkeiten, Ausschreibungen usw. zu tun – Bestattungen machen nur etwa ein Drittel der Tätigkeit aus. Und meine Ansprechpartner sind ja die Angehörigen, nicht der Verstorbene – das macht den Beruf lebendiger als man auf den ersten Blick vermuten könnte.

Die Friedhofsverwaltung und damit Andreas Frank betreut den Friedhof Vaterstetten mit über 31.000 m² und den Friedhof Parsdorf mit über 3.200 m². (Foto: Ilona Stelzl / B304.de)

Für einige Tage sorgen Tote noch einmal für große Betriebsamkeit unter den Lebenden. Zum Anfang vom Ende: Was muss man tun, wenn ein Angehöriger zu Hause stirbt?

Dann rufen Sie den Hausarzt an, weil nur der die Krankengeschichte kennt und insofern einen natürlichen Tod feststellen kann – außer es war kein natürlicher Tod. Wenn Sie den Notarzt alarmieren, kann der den natürlichen Tod nicht feststellen und muss daher in der Regel die Kriminalpolizei verständigen. Die versiegeln Ihnen dann das Zimmer, beschlagnahmen den Leichnam und übergeben die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft und die entscheidet, ob eine Obduktion angeordnet wird oder nicht. Diese Aufregung möchte man jedem Angehörigen gerne ersparen, daher unbedingt auch im Notfall den Hausarzt zumindest mitverständigen.

Kommt so ein Prozedere öfters vor?

Ja, durchaus. Das bekommen wir mit, weil die Leichen, die nicht zur Bestattung freigegeben werden, bis zur Klärung der Todesursache bei uns in Räumen der Aussegnungshalle untergebracht werden. Aber nur bei etwa einem Fünftel der Fälle wird eine Obduktion durchgeführt.

Sollte man sich zu Lebzeiten mit dem eigenen Tod beschäftigen?

Das wäre tatsächlich wichtig, vor allem für Menschen, die keine Angehörigen haben. Zumindest den Bestattungswunsch sollte man als letzten Willen äußern, der muss dann übrigens auch verbindlich berücksichtigt werden. Also ob Erd- oder Feuerbestattung. Insbesondere in den Heimen wäre ein Gespräch mit uns auch deshalb sinnvoll, um zu verhindern, dass wir nach dem Tod erst recherchieren müssen, ob es Angehörige gibt. Das kann sehr langwierig sein und es gibt ja auch Bestattungsfristen.

Heißt was genau?

Naja, die Kühlung reicht irgendwann nicht mehr aus. Wir haben bei uns in den Räumen der Aussegnungshalle am Friedhof eine normale Kühlung von ungefähr 5 bis 6 Grad, das reicht je nach Zustand für eine Lagerung von drei bis sechs Tagen. Für einen längeren Zeitraum muss jemand tiefgefroren werden, aber dafür haben wir in Vaterstetten keine Kapazitäten. Das ist auch nicht die Aufgabe der Kommune, da muss sich dann ein Bestattungsunternehmen drum kümmern.

Bei den saftigen Quadratmeter-Preisen rund um München ist die Urnenbestattung sicherlich günstiger als ein Sarg, oder?

Das nimmt sich nicht viel. Die Gebühren für die Trauerfeier, das Personal etc. sind gleich und was der Sarg mehr kostet, gleichen die Verbrennungskosten bei der Urnenbestattung aus. Aber Sie meinen die Grabanlage an sich, auch da liegen wir preislich ziemlich nah beieinander.

Was kostet ein Erdgrab ganz konkret?

Für zehn Jahre sind es für ein Einzelgrab in Vaterstetten insgesamt 900 Euro. Zehn Jahre ist die Mindestlaufzeit und entspricht der Ruhefrist – so lange dauert es, bis sich der Leichnam und der Sarg zersetzen. Die Gebühren legt jede Gemeinde selbst fest.

Macht 90 Euro im Jahr, in München sind für ein Erdgrab 134 Euro jährlich fällig. Haben Sie keine Angst vor Schnäppchentouristen?

Sie können generell nur da bestattet werden, wo sie als Gemeindebürger gemeldet sind und ihren Lebensmittelpunkt haben. Ausnahmen müsste man sich im Einzelfall genehmigen lassen, aber das ist freiwillig und das kann jede Kommune auch ablehnen.

Muss man das Grab regelmäßig pflegen, es kann ja sein, dass die Angehörigen nicht in der Nähe wohnen?

Sie sind laut Satzung dazu angehalten, das Grab in einem gepflegten Zustand zu halten. Es müssen mindestens Bodendecker gepflanzt werden. Aber Sie können natürlich auch einen Gärtner oder ein Gartencenter mit der Grabpflege beauftragen. Das machen übrigens viele – auch Angehörige. die nicht mehr so mobil sind. Wegen der Schotterebene haben wir hier bei uns übrigens noch ein anderes Problem: Weil der Kies im Untergrund nachrutscht, bilden sich Senken – spätestens wenn der Sarg irgendwann in sich zusammenfällt, gibt der Untergrund rund ums Grab nach. Das muss dann verpflichtend vom Grabbesitzer wieder aufgeschüttet werden.

Gibt es für Beerdigungen auch eine ökologische Alternative? In den USA ist seit 2019 eine Kompostierung möglich.

Mal grundsätzlich zum Thema Ökologie, weil es auch bei den gängigen Methoden immer wieder Missverständnisse gibt: Bei einer Feuerbestattung dauert die Verbrennung im Krematorium – das nächste ist übrigens in München, wir als Gemeinde haben keins – rund 40 bis 60 Minuten. In dieser Zeit wird der Ofen mit Gas auf bis zu 800 Grad befeuert – also ordentlich Energie verbraucht. Seit einigen Jahren müssen Grab-Urnen übrigens aus biologisch abbaubarem Material sein, tatsächlich verrotten sie aber nicht rückstandslos. Bei einer Erdbestattung bleibt irgendwann nur organisches Material übrig. Zu Ihrer konkreten Frage nach einer Kompostierung: Diese Möglichkeit gibt es in Vaterstetten nicht, aber grundsätzlich gilt: Egal, welche Bestattungsform man wählt, sie dürfen Leichenteile nicht einfach verstreuen. Auch bei naturnahen Bestattungen unter Bäumen, wie wir es in Parsdorf anbieten, müssen sie in einer Urne beigesetzt werden.

Herr Frank, vielen Dank für das Gespräch.