Haar würde gerne bauen. Und das im großen Stil. Das „Forschungs- und Entwicklungszentrum“ für BMW soll eventuell auf die Finckwiese kommen. Da die direkt an der Wasserburger Landstraße liegt, könnte auch die Gemeinde Vaterstetten betroffen sein. 2000 Mitarbeiter täglich sind einiges und das, obwohl die Straßen schon jetzt überfüllt sind. Nun hat die Gemeinde Vaterstetten ihre Stimme erhoben.
Unter Tagesordnungspunkt 5 äußerte sich die Gemeinde beim Grundstücks- und Bauauschuss am vergangenen Dienstag (6.12.) erstmals als „Träger öffentlicher Belange an Bauleitplanverfahren anderer Gemeinden“. Zwar war man sich nicht klar, ob die Entscheidung bereits gefallen sei – also ob Haar oder eine andere Gemeinde den BMW-Zuschlag erhalten hat, B304.de berichtete darüber – oder nicht, aber diskutiert wurde trotzdem. Die Gemeinde möchte nun eine Stellungnahme abgeben oder wie es Bürgermeister Georg Reitsberger nennt, Haar eine „Denkaufgabe“ geben. Denn, so wirklich glücklich ist man mit der Kommunikation des Nachbarn nicht. Bauamtsleiterin Brigitte Littke dazu: „Es ist schade, dass man sich bei so einem Mega-Projekt nicht näher abgestimmt hat“. Oder CSU-Ausschussmitglied Stefan Huber: „Das ist eine ignorante Kirchturm-Politik.“
Was genau damit gemeint war, ist folgendes: Nicht das Haar BMW unbedingt zu sich haben will, sondern das Vaterstetten als Nachbargemeinde quasi erst durch Gemeinderatsbeschluss zur „Aufstellung des Vorhabens- und Erschließungsplans“ Mitte November offiziell eingeweiht wurde. Die Konsequenzen einer BMW-Ansiedlung sind nämlich auch für Vaterstetten spürbar. Der Verkehr auf der B304, die in die Wasserburger Landstraße in Haar übergeht, ist heute schon täglich verstopft und das ab respektive bis zur Umfahrung von Zorneding. Morgens wie abends. Die Autobahn A99, die zwar 8-spurig ausgebaut werden soll, wird ein weiterer Verkehrsbremser in Zukunft werden. Die Gemeinde Vaterstetten befürchtet, dass viele Mitarbeiter BMWs nun einen Umweg mit der Ausfahrt Parsdorf nehmen. Oder auch bei Überlastung der B304 und A99 durch die Gemeinde fahren, zum Beispiel durch „Abkürzungen wie durch die Bahnhofstraße und den Luitpoldring”.
Ein weiterer Punkt: die Wohnsituation. Zwar werden aller Wahrscheinlichkeit nicht alle 2.000 Mitarbeiter in den Münchner Osten wandern, aber doch einige. Oder im Verwaltungs-Deutsch gesprochen: „Eine Bevölkerungszunahme und eine daraus folgende Nachverdichtung strahlt deshalb auf die Gemeinde Vaterstetten aus“.
Ebenfalls Kopfschmerzen bereitet der öffentliche Nahverkehr. Alle zehn Minuten fährt hier im Moment ein Bus von der S-Bahn Haar zum möglichen BMW-Finckwiesen-Standort. Doch der fährt nur zu Hauptverkehrszeiten. Möglich also, dass bei (geplanten) Überstunden noch mehr Mitarbeiter mit dem Auto anfahren und abreisen.
Viele Fragen, wenig Antworten. Aber Vaterstetten möchte nun eine Antwort wissen. Bürgermeister Reitsberger diplomatisch: „Wir wollen ein gutes, nachbarschaftliches Einvernehmen üben.“ Und weiter: „Wir müssen uns als nördlicher Landkreis Ebersberg, ebenso wie die daran angrenzenden aus dem Landkreis München bezüglich eines Verkehrskonzepts beraten und die Situation beleuchten. Denn aktuell kommt jeder an die Grenze des Machbaren.“
Das passiert nun mit eben jener Stellungnahme und mit einem geplanten Treffen. Denn wie Reitsberger zwei Tage später auf der Gemeinderatssitzung bekannt gibt, trifft er sich mit seinen Kollegen aus Markt Schwaben und Poing sowie eventuell mit Kirchheims Bürgermeister zu einem Gespräch. Zusätzlich mit dem Staatlichem Bauamt Rosenheim, um die Verkehrsproblematik und generelle Platzprobleme zu besprechen. Ebenfalls vielleicht mit dabei: Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller. Mit oder ohne BMW: was getan werden muss für den Verkehr im Osten der Landeshauptstadt Münchner. Dass, so Reitsberger, sei nun ein Zeichen dafür, dass „wir das Problem erkennen.“