Das erste Lagebild zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, vorgestellt vom Bundesinnen- und Bundesfrauenministerium und dem Bundeskriminalamt (BKA), zeigte jüngst alarmierende Zahlen und verdeutlicht die wachsende Bedrohungslage, der Frauen und Mädchen in Deutschland ausgesetzt sind. Die Daten dokumentieren erstmals umfassend das Ausmaß von Gewalt, der Frauen aufgrund ihres Geschlechts ausgesetzt sind – ein gravierendes gesellschaftliches Problem.
Fast jeden Tag ein Femizid in Deutschland
Im Jahr 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, ein Anstieg von 1 Prozent gegenüber 2022. 80,6 Prozent dieser Opfer standen in einer partnerschaftlichen Beziehung zum Täter, 360 Tötungsdelikte wurden vollendet. Insgesamt erlebten 52.330 Frauen und Mädchen Sexualstraftaten, was einem Anstieg von 6,2 Prozent entspricht, wobei über die Hälfte der Betroffenen unter 18 Jahre alt war.
Digitale Gewalt nahm stark zu, mit 17.193 Opfern im Jahr 2023, ein Zuwachs von 25 Prozent. Auch häusliche Gewalt betrifft überwiegend Frauen und Mädchen (70,5 Prozent). Ihre Zahl stieg auf 180.715, ein Plus von 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders deutlich ist der Anstieg politisch motivierter frauenfeindlicher Straftaten, die mit 322 Fällen um 56,3 Prozent zunahmen. In den meisten dieser Deliktsbereiche sind die Mehrheit der Opfer und Tatverdächtigen deutscher Staatsangehörigkeit, während beim Menschenhandel häufiger nichtdeutsche Staatsangehörige betroffen sind.
Vor diesem Hintergrund ist die Eröffnung eines neuen Frauenhauses im Landkreis Ebersberg im Januar 2025 ein wichtiger Schritt, um betroffenen Frauen und ihren Kindern eine Zuflucht und Unterstützung zu bieten. Im Gespräch mit Elke Zahner-Meike, der Vorständin des Trägers „Frauen helfen Frauen im Landkreis Ebersberg e.V.“ und Landrat Robert Niedergesäß erfahren wir mehr über das Projekt, die Herausforderungen und die Bedeutung dieses neuen Schutzraums.
Ein Schritt in die richtige Richtung
Im Landkreis Ebersberg gab es bislang kein eigenes Frauenhaus. „Das war lange eine große Lücke. Frauen, die in Not geraten sind, mussten auf Frauenhausplätze in den benachbarten Landkreisen ausweichen. Dies war auf Dauer keine Lösung“, erklärt Landrat Robert Niedergesäß. Der Bau eines eigenen Frauenhauses wurde möglich, nachdem der Bayerische Landtag zusätzliches Geld zur Verfügung stellte.
„Durch diese Förderung konnten wir jetzt endlich unser eigenes Frauenhaus realisieren. Wir hatten diese Notwendigkeit bereits seit Jahren im Blick, aber erst jetzt war es uns möglich, das Projekt umzusetzen“, so Niedergesäß. Die Finanzierung des Gebäudes ist mit rund 1,9 Millionen Euro abgeschlossen, und der Betrieb des Hauses wird künftig vom Verein „Frauen helfen Frauen“ übernommen.
Die Herausforderung der Mittelbeschaffung
Die Mittel für den Bau des Frauenhauses wurden großzügig bereitgestellt, doch der Betrieb bleibt eine langfristige Herausforderung. „Der Betrieb eines Frauenhauses ist eine kontinuierliche Aufgabe. Der Landkreis unterstützt den Träger, aber auch dieser muss eine Eigenbeteiligung von etwa 10 Prozent der Gesamtkosten aufbringen“, erklärt Niedergesäß. „Es ist wichtig, dass die Arbeit des Trägers und der Mitarbeitenden langfristig gesichert wird. Wir hoffen, dass Spenden und Fördergelder dazu beitragen werden.“
Die Verantwortung für die Qualität der Betreuung liegt bei „Frauen helfen Frauen im Landkreis Ebersberg e.V.“, einem erfahrenen Träger, der seit Jahrzehnten für die Beratung von gewaltbetroffenen Frauen und Kindern zuständig ist.
Frauenhaus als langfristige Perspektive
Elke Zahner-Meike, Vorständin des Vereins „Frauen helfen Frauen im Landkreis Ebersberg e.V.“, erklärt, dass das Frauenhaus für den Landkreis von großer Bedeutung ist. „Für uns ist es ein echter Meilenstein. Nach 35 Jahren Arbeit im Bereich der Gewaltprävention und -beratung ist es ein großartiger Schritt, dass wir nun auch mit einem Frauenhaus konkret helfen können. Frauen, die in Not geraten, finden hier nicht nur eine Unterkunft, sondern auch langfristige Unterstützung“, so Zahner-Meike.
Das Frauenhaus soll vor allem für Frauen und Kinder zur Verfügung stehen, die Opfer von häuslicher Gewalt oder sexualisierter Gewalt geworden sind. „Es gibt in der Region eine große Nachfrage nach sicheren Zufluchtsorten. Wir wollen den Frauen und ihren Kindern helfen, den ersten Schritt in ein gewaltfreies Leben zu machen“, so Zahner-Meike. Die Einrichtung wird zunächst sieben Plätze bieten. „Obwohl das nicht ausreichend ist, ist es ein wichtiger Anfang. Es zeigt, dass wir die Bedürfnisse der betroffenen Frauen ernst nehmen“, sagt sie.
Herausforderungen bei der Personalgewinnung
Doch die Errichtung des Hauses ist nicht die einzige Herausforderung. Zahner-Meike weist darauf hin, dass es vor allem auch eine schwierige Aufgabe ist, ausreichend qualifiziertes Personal zu gewinnen. „Der Fachkräftemangel in sozialen Berufen ist ein ernstes Thema. Wir sind deshalb auf Spenden und andere Unterstützungsmaßnahmen angewiesen, um die nötige Infrastruktur zu schaffen und gut ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen“, erklärt sie. Der Verein plant, die Frauen nicht nur zu betreuen, sondern ihnen auch bei der Integration in ein neues Leben zu helfen – etwa bei der Wohnungssuche und der Begleitung bei Behördengängen.
„Wir wissen, dass diese Unterstützung für viele Frauen der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben ist. Unsere Aufgabe ist es, sie in dieser schwierigen Phase zu begleiten und sie langfristig zu stärken“, fügt Zahner-Meike hinzu.
Die Bedeutung für die Region
Für Landrat Niedergesäß hat das Projekt auch eine gesellschaftspolitische Bedeutung: „Es ist ein Zeichen für unser starkes Engagement im Bereich der Frauenrechte und des Opferschutzes. Frauen, die Gewalt erfahren haben, müssen die Gewissheit haben, dass sie in unserem Landkreis einen sicheren Ort finden, an dem sie sich stabilisieren können.“
Er betont, dass das Frauenhaus nicht nur eine kurzfristige Lösung ist. „Es ist ein langfristiger Beitrag zur Gewaltprävention. Wir wollen den betroffenen Frauen helfen, ein neues Leben aufzubauen. Der Weg dorthin ist lang und nicht immer einfach, aber wir unterstützen sie dabei, Schritt für Schritt.“
Blick in die Zukunft
Zahner-Meike ist überzeugt, dass das Frauenhaus nicht nur den betroffenen Frauen hilft, sondern auch langfristig zur gesellschaftlichen Stabilität beiträgt. „Wenn wir den Frauen und Kindern helfen, sich von der Gewalt zu befreien, schaffen wir nicht nur eine sichere Umgebung für sie, sondern auch für die gesamte Gesellschaft“, erklärt sie. „Das Frauenhaus ist ein Ort der Hoffnung und der zweiten Chance.“