Es sind hektische Zeiten. Arbeit, Stress, Smartphone. In welchen Ausmaß auch immer: Hektik betrifft jeden von uns. Fast 365 Tage im Jahr. Auszeit ist nur dann, wenn Urlaub ist oder die Feiertage sich ankündigen – zumindest physisch. Doch mentale Auszeit beginnt erst genau dann, wenn das „Loslassen vom Alltag“ wirklich gelingt. Aber wann ist dieser Punkt erreicht? Ein Kommentar von Moritz Steidl
Ich, Moritz Steidl, B304.de-Redakteur, bin Student. Journalismus ist „mein täglich Brot“. Aktuell meist noch in der Theorie, in der Hochschule. Jedoch auch in der Praxis, bei B304.de oder auch bei ein paar anderen Projekten von BistrickMedia. Nicht jeden Tag, aber immer öfters mache ich mir Gedanken um die Menschen in Grasbrunn, Haar und Vaterstetten. Gedanken über ihre Geschichten, Gedanken wie ich diese wohl am Besten transkribiere und auf Blatt und dem Display zu Leben bringe. Aber ich mache mir auch Gedanken über eine Welt, die kommuniziert und das – ganz bewusst floskelhaft gesagt – immer mehr kommuniziert. Per se ist diese Multi-Kommunikation nichts schlechtes, sondern ein Zeichen – um es weltmännisch auszudrücken – der Globalisierung und es Zusammenwachsens. Aber: wie kommunizieren wir? Vor allem wir jungen Leute, ich bin 22, aber mittlerweile auch meine Eltern und Großeltern? Ich kann es ihnen für mich genau sagen, denn ich kommuniziere – persönliche Treffen hin oder her – zumeist über mein Smartphone, Laptop & Co. Bis vor ein paar Monaten habe ich für diese Form des Miteinander-im-Austausch-Bleiben folgendes Pro-Argument stets angeführt: es ermöglicht uns, uns mit allen Bekannten, Freunden und Verwandten 24/7 auf der Welt zu vernetzen. Welcher Generation zuvor war das je möglich? Richtig keiner, und in meinen Augen absolut eine grandiose Entwicklung. Allerdings kam eine Sache bei mir persönlich vermehrt zum Vorschein: ich bemerkte Konzentrationsschwächen. Aber nicht nur an Tagen, in denen ich „nicht bei 100%“ war, kränkelte oder verkatert war, sondern auch an den 24 Stunden, in den ich quick lebendig und vital war. Ehrlich gesagt, nachdem ich es realisierte fürchtete es mich. Mehr und mehr. Tag für Tag. Ohne Konzentration, ohne wirklichen Fokus, so meine und mit Sicherheit auch die Auffassung vieler Experten, Coaches und Psychologen: kein Erfolg. Nicht unbedingt der materielle Erfolg, sondern vor allem der ideelle Erfolg. Das Ziel erreichen und für mich, als angehender Journalist sehr wichtig das „sagen können, was man denkt im vis-a-vis-Gespräch“ – von all dem entferne ich mich, und ich glaube wir alle, wenn der Fokus fehlt und die Zerstreuung überhandnimmt. Das Zerstreuung an Tagen wie Weihnachten und Neujahr, eine besondere Bedeutung nimmt, war mir zuvor noch nie so bewusst, wie es aktuell ist. Denn die Unterhaltung, dies ständige mediale Berieselung ist ein Ziel, meiner Generation. Und die Zerstreuung möglichst viel, möglichst schnell zu machen unsere Berufung. Aber ist es auch gut? Wenn aus dem Freizeit-Begriff Zerstreuung eine Zerstreuung im Berufs-/Uni-Alltag wird, hat das keine guten Auswirkungen. Permanent Mails checken, WhatsApp schreiben und Facebook scrollen: lenkt es nicht von den eigentlichen Lebens-Zielen ab? Egal wie und welche Ziele auch definiert sind: Sie sind in Gefahr
Ich sage, ganz persönlich, nach dem Jahr 2016 für mich: JA! All die Vorteile, die schnelles Internet, soziale Netzwerke und unbegrenzte Meinungsfreiheit bieten können sich aushebeln. Und zwar genau dann, wenn wir nicht wissen, wie wir damit umgehen. Wenn der Blick aufs Smartphone zum Zwang wird, die Unaufmerksamkeit sich einschleicht, der Fokus abhanden geht und man es selbst nicht merkt – genau dann ist der Punkt eingetreten.
Meine Worte, liebe Leser, sollen aber nun keine apokalyptische und dunkele Anti-Digitalisierungs-Plädoyer werden, sondern nur ein Appell, den ich mir selbst gegeben habe und mit Ihnen teilen möchte: an den Feiertagen einfach mal das Smartphone ausschalten und den Laptop zuklappen. Das „digitale Loslassen“ um in der realen Welt bewusst den Moment zu leben. Natürlich nicht komplett loslassen, denn auch, dieses Beispiel sei erlaubt, Kettenraucher können – und sollen nicht – von 100 auf 0 gehen. Aber ein bisschen weniger Minuten gar Stunden damit verbringen auf den Bildschirm zu blicken, in die Tasten zu tippen oder die Timeline auf Facebook zu checken. Das alles tut uns, so meine Experiment-Überzeugung, gut. Um endlich einmal zur Ruhe zu kommen. Um unsere inneren Werte, die uns das ganze Jahr über sonst antreiben, wiederzufinden. Um unseren moralischen Kompass neu zu polen. Um unsere Ziele auch in 2017, wohl definiert, überlegt und überarbeitet zu erreichen. Gemeinsam mit den Menschen die wir am meisten lieben, deren Meinung wir schätzen und für die so oft unter dem Jahr, außer im digitalen Raum, kaum Zeit in der Realität bleibt. In dem Sinne: Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch – ich und mein Smartphone sind nun erstmal heraus…