Das Offene Haus der Arbeiterwohlfahrt (OHA) in Vaterstetten ist für seine Projekte zur unbürokratischen Hilfe und Unterstützung von plötzlich in Not geratenen Bürgern bekannt. Ein kleines Team und eine große Zahl von Ehrenamtlichen helfen mit Sachleistungen und persönlichem Engagement. Eine große Rolle spielt bei solchen Projekten auch immer das Thema Nachhaltigkeit. So wurde das damals noch leere Gebäude vor seiner Eröffnung als OHA! vollständig mit gebrauchten, gespendeten oder vor der endgültigen Entsorgung geretteten Einrichtungsgegenständen ausgestattet. Über ein besonderes Projekt mit nachhaltiger Wirkung, das Repair-Café, haben wir uns mit der Leiterin des OHA!, Edith Fuchs, unterhalten.
B304.de: Frau Fuchs, wie kamen Sie auf die Idee, ein Repair-Café einzurichten?
Edith Fuchs: Als vor elf Jahren unser OHA eröffnet wurde, war es eine bewusste Entscheidung, diese öffentliche Einrichtung mit Möbeln und Gegenständen aus 2.Hand einzurichten. Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken, der Ressourcenschonung und der Einsparung von Kosten wollten wir als öffentliche Einrichtung eine nachhaltige Alternative zur Wegwerfgesellschaft anbieten. Da war es also nur eine logische Folge, diesen Gedanken auch in die Gesellschaft zu tragen. Ich hatte von einem sogenannten Repair-Café in Gauting gehört. Nach einem Besuch dort wusste ich, das möchte ich auch im OHA! und in unserer Gemeinde etablieren. Seit nunmehr zehn Jahren kommen in regelmäßigen Abständen an einem Samstag ehrenamtlich tätige Reparaturexperten mit Menschen zusammen, die ihnen ihre „Patienten“ anvertrauen. Gemeinsam versuchen sie, die Gegenstände wieder gangbar zu machen.
Dinge wieder zu reparieren, ist nützlich – aber kann auch sehr erfüllend sein, oder?
In vielen Kulturen hat das Reparieren eine lange Tradition, die durch die moderne Konsumgesellschaft teilweise verloren gegangen ist. Die Rückbesinnung auf die Wertschätzung und Instandhaltung von Produkten bekommt in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Ich erlebe bei jedem Repair-Café ein generationenübergreifendes „Reparaturfieber“. Menschen unterschiedlichen Alters tauschen sich aus, lernen von- und miteinander und sind begeistert, wenn ein Reparaturerfolg zu verzeichnen ist. Das Meistern von unterschiedlichsten Herausforderungen bei jeder Reparatur schweißt die Reparaturgemeinschaft im Raum zusammen, spornt an, macht stolz und zufrieden etwas geschafft oder auch etwas Neues gelernt zu haben. Gab es ein besonders Erlebnis? Bei jedem Repair-Café gibt es unterschiedliche Geschichten: ein älteres Ehepaar, das seine „kleine“ aber stumm gewordene Standuhr in das OHA! brachte und glücklich und froh mit ihrem „Baby“ und dem Big Ben Gongschlag wieder nach Hause ging. Die junge Mama, die sich riesig freute, als ihr aus Kindertagen lieb gewonnener Kassettenrekorder wieder funktionierte und ihre kleine Tochter nun auch ihre Benjamin Blümchen Kassetten darauf anhören konnte. Bei einem unserer letzten Repair-Cafés kam eine „Kundin“ mit ihrem Radio zu uns. Einer der Experten hatte schon den ganzen Vormittag im am gleichen Tag stattfindenden Repair-Café in Grasbrunn versucht, das Gerät gangbar zu machen. Bis zum Mittag wollte das Radio leider immer noch nicht spielen. Beide verabredeten ein weiteres Zusammentreffen am Nachmittag im OHA in Vaterstetten. Gesagt, getan! Kurz vor Ende unserer Veranstaltung funktionierte das Radio wieder einwandfrei.
Wie hoch ist die Erfolgsquote?
Zwei Drittel aller gebrachten Gegenstände können repariert werden. Interessanterweise sind es meistens ältere Geräte, die noch aufgeschraubt werden können. Die neueren Geräte haben oft das Manko, dass sie nicht mehr geöffnet werden können. Damit bewahrheitet sich, dass billig nicht immer günstig ist! Auch hier beraten unsere Experten, worauf man bei einem Neukauf achten sollte. Wir freuen uns sehr, dass wir auf unterschiedliche Experten zurückgreifen können. Gleichwohl freuen wir uns darauf, unser Team immer wieder zu erweitern. Vielleicht fühlen sich Leser angesprochen, zukünftig mitzumachen. Melden Sie sich einfach bei uns!
Welche Idee möchten Sie noch umsetzen?
Mein großer Traum wäre ein sogenanntes „nachhaltiges Warenhaus“ in unserer Gemeinde. Vielen Menschen, die bei uns wohnen, ist es wichtig, Gegenstände, die sie abgeben wollen, in „gute Hände“ weiterzugeben. Haushalte von Verstorbenen müssen aufgelöst werden, gut erhaltene Kleidung, die zu groß oder zu klein geworden ist, möchte man nicht in einen Container werfen. Haushaltsgegenstände oder Elektrogeräte werden nicht mehr benötigt und sind zu schade zum Wegwerfen. Anderen Menschen, die in unserer Gemeinde wohnen, ist der Nachhaltigkeitsgedanke wichtig und sie schauen zuerst, wo es gebrauchte gute Gegenstände gibt, andere müssen sich jede noch so kleine Ausgabe doppelt und dreifach überlegen. Mit der Idee eines „nachhaltigen Warenhauses“ könnte allen Bedürfnissen Raum gegeben werden: Raum für die Menschen, die unentgeltlich etwas abgeben möchten, Raum für die Menschen, die aus nachhaltigen Gründen zuerst schauen möchten, ob sie etwas gut Erhaltenes finden, und Raum für die Menschen, die sich aus finanziellen Gründen schwer tun, in einem Geschäft einzukaufen. In „meinem“ Warenhaus gäbe es keine Verkaufspreise. Wer etwas mitnehmen möchte, entscheidet selbst, ob er eine kleine Spende abgeben kann oder möchte. Die Begegnung der Menschen untereinander ist ein wichtiger Aspekt. Es spielt keine Rolle, ob jemand arm oder reich ist. Bei einer Tasse Kaffee entstehen Gespräche und Kontakte. Vielleicht hat ein Leser eine Idee, in welchen Räumen oder an welchem Platz dieses Warenhaus in unserer Gemeinde installiert werden könnte.
Nächste Termine Repair-Cafe
Am Samstag, 14. September, zwischen 13 und 16 Uhr, im OHA (Hans-Luft-Weg 2). Der letzte Reparatur-Annahme-Termin ist um 15.30 Uhr. Barrierefrei zugänglich. Spenden willkommen.