Vom 19. bis 24. März fand in Madrid die 12. Hallen-Europameisterschaft der Senioren statt. Als einziger Teilnehmer vom TSV Vaterstetten startete Guido Müller. Er erzielte eine historische Leistung: Die 100. Goldmedaille. Die erste gewann er bereits im Jahre 1984. Hier schildert er seine persönlichen Eindrücke von dem einmaligen Erlebnis in Spanien!
“Während ich auf nationaler Ebene bereits in der Altersklasse M80 startberechtigt bin, musste ich in Madrid nochmals in der M75 starten, da ich das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Dadurch waren meine Aussichten auf Siege bzw. Medaillengewinne erheblich eingeschränkt, denn ein Altersunterschied von bis zu fünf Jahren macht sich besonders in den höheren Altersklassen stark bemerkbar.
Gewöhnlich legen meine Frau Helga und ich bei Auslandsstarts vor dem ersten Wettbewerb einen Puffertag ein, diesmal waren es sogar zwei Tage. Der Grund: Weil für meine erste Disziplin, die 400 m, nur sechs Teilnehmer gemeldet waren und die neue, große Sporthalle über sechs Rundbahnen verfügt, konnten die 400-m-Vorläufe ausfallen. Im Lauf hatte ich dann die Innenbahn und mein nach der eingegangenen Meldezeit stärkster Konkurrent, der Engländer Treacher, den ich seit Jahren kenne, startete auf Bahn 2. So hatte ich ihn immer Blick und ging nach der zweiten Kurve der ersten Runde in Führung. Ich siegte in 1:16,46 Min. vor Treacher, der 1:17,08 Min. benötigte.
Dieser Sieg hatte für mich eine besondere Bedeutung, denn ich konnte meine 100. Goldmedaille seit meiner ersten Teilnahme an Europameisterschaften im Jahre 1984 im englischen Brighton gewinnen. Auf diesen Erfolg, der bisher einmalig ist, bin ich stolz. Der Präsident des Europäischen Verbandes, Kurt Kaschke, nahm die Siegerehrung vor und ehrte mich für den Jubiläumssieg mit einer eigens entworfenen Urkunde und einem Präsent.
Bereits eineinhalb Stunden später fanden die Vorläufe über 60 m statt, was ungewöhnlich kurz nacheinander ist. Zwölf Teilnehmer traten an. Ich war noch müde vom anstrengenden 400-m-Finale und hoffte trotzdem, über 60 m das Finale zu erreichen. Acht Startplätze waren für den Endlauf, der am nächsten Tag stattfinden sollte, zu vergeben. Ich war froh, dass ich mit der sechstbesten Zeit das Finale erreichte. Mit meiner Zeit von 9,57 s blieb ich über meiner sonst gewohnten Zeit. Im Finale selbst konnte ich mich auf 9,32 s steigern, was allerdings nur zu Platz fünf reichte. Die vier vor mir liegenden Kameraden waren alle Jahrgang 1942, also vier Jahre jünger als ich. Der überlegene deutsche Sieger, Jürgen Krämer, lief mit 8,56 s Europarekord.
Am darauffolgenden Tag standen die Vorläufe über 200 m auf dem Zeitplan. Da 13 Teilnehmer antraten, waren drei Vorläufe erforderlich Das Reglement sah vor, dass sich jeweils die Sieger und die danach drei Zeitschnellsten für das Finale qualifizieren. Ich war im ersten Vorlauf und siegte in 31,91 s, was die drittschnellste Zeit aller Teilnehmer bedeutete. Krämer hatte mit 31,06 s die beste Zeit erreicht und galt damit als Favorit für den Endlauf. Im Finale am Tag danach hatte Krämer die Innenbahn und ich wurde auf Bahn 2 gesetzt. Erst Mitte der zweiten Kurve überholte er mich und gewann in 29,82 s. Etwa 50 Meter vor dem Ziel hatte der Zweite im 60-m-Lauf, der Pole Jozwiak, noch ca. zwei Meter Vorsprung vor mir – bis zum Ziel konnte ich ihn aber einholen und auf Platz 2 durchs Ziel laufen. Über meine Zeit von 30,21 s war ich sehr überrascht und erfreut, denn sie bedeutete eine Verbesserung der deutschen Bestzeit der Altersklasse M80. Der bisherige Rekord stand bei 30,94 s und wurde vor neun Jahren von Wolfgang Reuter aufgestellt.
Da drei Deutsche im 200-m-Finale waren, rechneten wir uns gute Siegeschancen in der am Abschlusstag stattfindenden 4×200-m-Staffel aus. Ich selbst lief an dritter Position und konnte Schlussläufer Krämer den Stab bereits mit erheblichem Vorsprung übergeben, der diesen Vorsprung noch ausbauen konnte. Die Siegerzeit unseres Teams betrug gute 2:09,52 Min. Zweiter wurde Italien und die Bronzemedaille gewann Spanien vor Großbritannien.
Mit meinem Abschneiden bei dieser Meisterschaft mit zwei Gold- und einer Silbermedaille kann ich sehr zufrieden sein, besonders wenn man berücksichtigt, dass ich im letzten Jahr meiner Altersklasse an den Wettkämpfen teilgenommen habe. Nicht nur meine sportlichen Aktivitäten werden mir in angenehmer Erinnerung bleiben, sondern auch die drei Tage, die ich mit meiner Frau nach den Wettkämpfen als Tourist gut und abwechslungsreichgenutzt habe, auch wenn das Wetter in Madrid erst an den letzten beiden Tagen frühlingshaft war.”
(Originaltext von Guido Müller aus Vaterstetten)