In Vaterstettens Rathaus knallten am Donnerstagvormittag (18.07.) die Sektkorken. Grund dafür: das Gewerbegebiet Parsdorf III kann kommen. (b304 berichtete) Und das sogar ziemlich schnell!Bereits im Herbst diesen Jahres soll auf dem rund 40 Hektar große Areal bei Parsdorf, nördlich der Autobahn in Richtung Grub, der erste Spatenstich getätigt werden. Im Sommer 2020 möchte die erste Firma, BMW, dort einen Versorgungsstützpunkt für das Forschungs- und Innovationszentrum einrichten. 2022 soll dann die KraussMaffei Group schrittweise ihre Kernentwicklungsgeschäft von Allach nach Parsdorf verlagern.
Im Rathaus von Vaterstetten kamen nun Vertreter von BMW und KraussMaffei mit Jan van Geet zusammen, um der Presse ihre Pläne für die nächsten Jahre vorzustellen. Van Geet ist CEO der VGP Gruppe, eine europaweit tätige Immobiliengruppe, die auch den Gewerbepark bei Parsdorf entwickelt. Bereits 2013 hatte die Firma ein Grundstück bei Neufarn gekauft, das nun mit dem Freistaat Bayern gegen das Areal bei Parsdorf eingetauscht wurde, auf dem das neue Gewerbegebiet entstehen wird. “Sie haben sich den schönsten Acker Bayerns gekauft!”, hatte damals Bürgermeister Reitsberger den belgischen Investor zu seinem Kauf beglückwünscht.
“Wir haben sehr viel versprochen, aber ich versichere ihnen, dass wir alle Versprechen auch halten werden! Wir wollen hier langfristig planen“, versicherte Firmenchef Jan van Geet bei der Vorstellungsrunde und betonte gleichzeitig, wie wichtig ihm eine „gute Nachbarschaft“ sei. Es solle in Parsdorf ein “grünes Projekt” werden, mit zum Teil bepflanzten Hallendächern auf denen, laut VGM, zudem die bisher größte, auf einem Gebäude installierte Photovoltaikanlage Europas gebaut werden soll. Bereits seit einiger Zeit war klar, dass sich BMW und KraussMaffei um den Standort bei Parsdorf bemüht hatten. Verträge hierfür wurden im Juni 2018 und im Januar 2019 unterschrieben.
BMW erklärte bei der Vorstellung ihrer Pläne für Parsdorf, dass es sich dabei um eine sehr „untypische Logistik“ handeln würde. Dort sollen nur rund 2000 Prototypen pro Jahr gebaut werden. Das Verkehrsaufkommen würde daher entsprechend gering ausfallen: ca. 25 Sattelschlepper sowie 25-50 Kleinspediteure sollen das Werk täglich anfahren. Georg Kast, Wirtschaftsförderer der Gemeinde ergänze, dass man bei der Kalkulation mit einem Puffer von 350 Fahrzeugen pro Tag gerechnet habe.
Ein weitaus größeres Verkehrsaufkommen würden die rund 1800 Mitarbeiter der KraussMaffei Group darstellen, zumal die Firma noch expandieren möchte. Da bei KraussMaffei jedoch um sechs Uhr und um 12:30 Uhr Schichtbeginn ist und die Mitarbeiter aus München kommen, würden das Aufkommen also gegenläufig zu den üblichen Pendlerströmen ausfallen. Laut Uta Bartsch, Vertreterin des Maschinenbauers, gäbe es im Warenverkehr nur einen zentralen Warenein- und -ausgang an einem Tag pro Woche. In Parsdorf soll die Produktion aller Unternehmensbereiche sowie die Hauptverwaltung untergebracht werden.
„Die Verlagerung dieser beiden Firmen nach Parsdorf wird das größte Umzugsprojekt im Großraum München seit der Verlegung des Flughafens“ heißt es in einer Pressemitteilung der VGP Gruppe. So abrupt, der Flughafen zog 1992 in nur einer Nacht von Riem nach Erding, wird es hier jedoch nicht von satten gehen. Bis 2026 soll das Gewerbegebiet fertiggestellt sein.
Die Gemeinde ist an der Entwicklungsgesellschaft jetzt nicht mehr beteiligt, der Grundstückstausch findet nur noch zwischen der VGP-Group und dem Freistaat statt. Mit Grundstücksverkäufen hätte die Gemeinde zusätzliche Einnahmen hervorbringen können, jetzt bleibt nur noch die Gewerbesteuer der beiden Großkonzerne.
Kritik am Gewerbegebiet Parsdorf III kommt von Vaterstettens SPD und den Grünen: „Einer der Gründe, warum wir das neue Gewerbegebiet ablehnen, ist unsere Überzeugung, dass die Gemeinde Vaterstetten längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Ein weiteres Wachsen ist nicht möglich, ohne die Infrastruktur, wie Kitas, Schulen und Sportanlagen gänzlich zu überfordern. In München werden die freiwerdenden Flächen zu neuen Wohngebieten umgewandelt und die Wohnungsnot etwas gelindert. Dafür wird sie in Vaterstetten verstärkt. Diese Entwicklung lehnen wir Vaterstettener Grünen ab“, lässt der Fraktionssprecher Axel Weingärtner in einer Pressemitteilung verkünden.
Bei Vaterstettens SPD heißt es entschieden: “Nein zu Parsdorf III!” Bei der Grundsatzentscheidung hatte die SPD-Gemeinderatsfraktion gegen die Ausweisung eines 40ha großen Gewerbegebiets zwischen Parsdorf und Grub gestimmt. „Das war keine leichte Entscheidung“, so Fraktionssprecher Sepp Mittermeier dazu. Nach Meinung der Sozialdemokraten wäre die Umsiedlung eines großen Maschinenbaubetriebs aus München zu uns sicherlich lukrativ. Von einem flächenintensiven Logistikunternehmen halten die Genossen allerdings gar nichts. „Diese Kröte wollten wir nicht schlucken“, so Gemeinderätin Maria Wirnitzer. Außerdem, so die SPD, müsse bei einer solch gigantischen Gewerbeansiedlung, bei der 40 ha wertvolle landwirtschaftliche Fläche versiegelt wird, wirklich alles stimmen. Das sei hier leider nicht der Fall. Die SPD wundert sich insbesondere über Bürgermeister Georg Reitsberger und seine Freien Wähler, die sich, wegen des angeblich hohen Flächenverbrauchs, gegen die Umfahrungen von Parsdorf und Weißenfeld aussprechen würden, allerdings einen etwa sieben mal höheren Flächenverbrauch für das Gewerbegebot Parsdorf III befürworten würden. Zwar soll ein Teil im Süden des neuen Gewerbegebietes Richtung Autobahn Ausgleichsfläche werden, dass Bürgermeister Reitsberger aber hier von einem “optimalen Stardort” spricht, können man nicht verstehen, so Mittermeier.
„Wir freuen uns sehr, dass wir einen guten Standort gefunden haben“, betonte dagegen auch Gerhard Vitzthum, Leiter Produktionsplanung und Logistik bei BMW. Man werde versuchen, die Verkehrsbelastung auf ein Minimum herunterzufahren. Geplant ist eine Werksbusanbindung für alle Mitarbeiter.
Die Standortsuche habe sich sowohl für BMW, als auch für KraussMaffei äußerst schwierig gestaltet, betonten Bartsch und Vitzthum. Für Parsdorf habe wegen der Mitarbeiter vor allem die S-Bahnanbindung gesprochen, so Bartsch.
Befürchtungen, dass am Gewerbegebiet Parsdorf III plötzlich völlig andere Firmen angesiedelt werden könnten, trat Gemeindebaurätin Brigitte Littke entgegen. “Es gibt einen Vertrag mit dem Investor VGP. Ohne die Gemeinde Vaterstetten kann nichts geändert werden.”
Bürgermeister Reitsberger bedankte sich hingegen bei seinen Mitarbeitern für die teils zähen Verhandlungen. Vor allem Wirtschaftsförderer Georg Kast habe des öfteren ein Wechselbad der Gefühle erlebt:”Er hat wohl so manches Stoßgebet zum Himmel geschickt!“, vermutet Reitsberger.