Nach jahrzehntelanger Planung hat der Vaterstettener Gemeinderat gestern die Ortsumfahrung um Weißenfeld, Parsdorf und Hergolding endgültig beerdigt. Die Baukosten seien für die klamme Gemeinde nicht stemmbar. Gute Nachrichten gibt es hingegen vom Autobahnausbau: zumindest Weißenfeld könnte so zu einer südlichen Umfahrung mit einer deutlichen Abnahme des Verkehrs kommen – und das ganz ohne Baukosten für die Gemeinde.
Brigitte Littke, Leiterin des Bauamts, stellte die Historie der Ortsumfahrung vor. 2017 reichte die Bauverwaltung einen Antrag auf Planfeststellung für die „Variante 8c“ ein – 2020 segnete die Regierung den Plan dann ab – Klagen folgten, sodass die Bestandskraft erst Ende letzten Jahres eintrat. Damit dürfte gebaut werden – doch die Kosten hatten sich inzwischen „exorbitant erhöht“: Von ursprünglich 22 Millionen Euro, von denen die Gemeinde 9 Millionen Euro selbst hätte tragen müssen, stiegen die Kosten auf zuletzt geschätzt 44 Millionen – gut 25 Millionen Euro hätte die Gemeinde selbst zahlen müssen. Die Schätzung ist aufgrund der notwendigen Errichtung eines Brückenbauwerks unsicher. Zudem fällt der Zuschuss eines Investors von 4,5 Millionen Euro weg – der wäre gezahlt worden, wenn die Umfahrung bis Ende 2023 fertiggestellt worden wäre.
Ganz ohne Umfahrung wird Vaterstetten allerdings nicht dastehen – im Zuge des Autobahnausbaus wird die A99 achtspurig ausgebaut und das Autobahnkreuz umgebaut – die Kreisstraße EBE4/M18, die durch Weißenfeld fährt und den Landkreis mit Feldkirchen und der A94 verbindet, muss im Zuge des Ausbaus verlegt werden. Bereits 2023 regte man daher die zuständige Autobahn GmbH des Bundes an, zu prüfen, ob die permanente Verlegung der Kreisstraße in den Süden möglich ist. Schon damals signalisierte die Bundes-GmbH Sympathie mit der Variante: „durchaus ein Charme“ habe die Verlegung, es könnte ein „Win Win“ für alle Beteiligten werden. Unklar jedoch, wer die Kosten trägt – damals ging man davon aus, dass die Mehrkosten für die Südverlegung im Vergleich zu einer der ursprünglichen Trassenvorschlägen durch die Gemeinde zu tragen sind.
Inzwischen liegt das Ergebnis der Prüfung vor – und bringt sehr gute Nachrichten für die Gemeinde. Michael Schwürzinger, Planer bei der Autobahn GmbH, stellte die Ergebnisse vor: Insgesamt wurden vier Varianten untersucht. Bewertet wurde anhand von vier Hauptkriterien: bauliche Machbarkeit, Verkehrssicherheit und -qualität, Auswirkungen auf Mensch, Raum und Umwelt sowie die Kosten.
Die Varianten 3 und 4 wurden früh verworfen: Variante 1 hätte aufwändige Tunnelbauwerke erfordert und den Ausbau der Autobahn um zwei Jahre verzögert. Variante 2 hätte zu einer Mehrbelastung für Weißenfeld geführt. Daher wird nun auch seitens des Bundes die von der Gemeinde vorgeschlagene Variante 5 – die Südumfahrung Weißenfelds – favorisiert. Sie schneidet in drei der vier Bewertungskriterien am besten ab und gilt nun offiziell als „Vorzugsvariante“. Da sie als Folgemaßnahme des Autobahnausbaus eingestuft wird, übernimmt die Autobahn GmbH sämtliche Baukosten – ein Glücksfall für die Gemeinde.
Auch eine Verkehrsprognose wurde vorgestellt: Weißenfeld könnte durch die Südumfahrung täglich um rund 8000 Fahrzeuge entlastet werden. In Parsdorf (-1200 Fahrzeuge in der Ortsmitte) und Hergolding (-400 Fahrzeuge) fällt der Effekt dagegen deutlich geringer aus. Insgesamt würde der Verkehr in den betroffenen Ortsteilen also zurückgehen – wenn auch weniger stark, als es bei Umsetzung der ursprünglich geplanten Ortsumfahrung zu erwarten gewesen wäre. Im Gegenzug ist mit einer Mehrbelastung im Norden Vaterstettens von etwa 2000 Fahrzeugen pro Tag zu rechnen.
Trotz der erfreulichen Nachrichten bedauerten viele Gemeinderäte das Aus der jahrzehntelang geplanten Ortsumfahrung. Sie werde „in die Tonne“ getreten, so Maria Wirnitzer (SPD). Dass der Bund die Südumfahrung zahlt, sei „ein Segen für die Gemeinde“ – die finanzschwache Gemeinde habe „Riesen Schwein gehabt“, so Klaus Willenberg (FDP). Auch die Grünen werden der Alternative zustimmen, erklärte Stefan Ruoff, da Weißenfeld deutlich entlastet werde.
Lob für die Variante 5 hatte auch Sepp Mittermeier (SPD), doch ganz „in die Tonne treten“ wolle er die ursprünglich geplante Umfahrung nicht. Man könne einen Teil der Umfahrung realisieren, so sein Vorschlag, das sei „die Königslösung“. Denn sonst gingen Parsdorf und Hergolding „quasi leer aus“. Er beantragte, einen Teil der Umfahrung umzusetzen, er stände zu seinem Versprechen.
Michael Niebler (CSU) betonte, dass die Gemeinde in dem Verfahren alles richtig gemacht habe. Bereits bei einem Investitionsvolumen von 15 Millionen Euro sei man an die Grenze der Finanzierbarkeit gestoßen. Man müsse nun Konsequenzen ziehen. „Man muss zu den Bürgern ehrlich sein“, ergänzte sein Fraktionskollege Benedikt Weber. Auch Axel Weingärtner (Grüne) sprach sich gegen weitere Planungen aus: „Ich möchte nicht mehr.“ Letztlich unterstützte nur die SPD – mit Ausnahme von Wolfgang Schermann – seinen überarbeiteten Antrag.
Fast Einstimmig (Gegenstimme Wolfgang Schermann) beschloss der Gemeinderat nach zwei Stunden Diskussion und einer Sitzungsunterbrechung dann das Ende der großen Ortsumfahrung. Offiziell kann dies nur die Regierung durch Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses tun, was nun beantragt wird. Damit ist die große Ortsumfahrung vom Tisch.
Mit dem Autobahnausbau kann frühestens 2032 begonnen werden, Mitte nächsten Jahres sollen die Planunterlagen eingereicht werden – die Südumfahrung Weißenfelds ist dann Teil des Vorhabens. Sie würde in einer der ersten Bauphasen umgesetzt, so die Autobahn.