Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom Geist in der Flasche, der auf Zuruf immer erscheint und unsere Wünsche erfüllt. Sind wir jetzt so weit, wenn wir die Künstliche Intelligenz nutzen und auf einmal so vieles mehr können als vorher? Bekannt geworden ist diese neue Grundlagentechnologie insbesondere durch die Algorithmen des US-Unternehmens OpenAI, namentlich den Chatroboter ChatGPT. Diese beantworten Wissensfragen, erstellen Texte, beantworten Briefe und kommen uns manchmal schon vor wie dieser Flaschengeist.
Ausgangspunkt für KI ist die Grundlagentechnologie Digitalisierung. Viele Daten und Fakten, egal ob in Wort, Bild, Sprache werden digital erfasst und abgespeichert. Mit KI bekommen wir in Sekundenschnelle nicht nur verschiedene Links wie bei Google, die wir anklicken können, sondern die gesammelten Inhalte komprimiert als Antwort, auf das reduziert, was das System für wichtig erachtet. Verändern wird sich dadurch alles, was wir bisher kennen, die Wirtschaft, die Arbeitswelt, die Medizin, ja, unsere gesamte Gesellschaft und unsere Kommunikation.
Nutzt man ChatGPT wie viele Schüler bereits oder auch Verwaltungen, Einrichtungen und Unternehmen, erkennt man schnell die Vorteile. Texte lassen sich sehr leicht erstellen. Allerdings gibt es auch viele Probleme, weil die Qualität nur so gut ist, wie die Datenbanken, auf die die Algorithmen zugreifen. Fehlen Daten, gibt es Fehler. Bei einer der ersten Anfragen zur Gemeinde Vaterstetten gab das System etwa an, dass der Ort durch seine Altstadt bekannt ist und durch den markanten Fluss. Über beides würden die Bürger sich vielleicht freuen, es stimmt nur leider nicht.
Von KI erstellte Texte und Inhalte müssen immer gut überprüft werden. Aber ChatGPT ist ja nur eine Anwendung. Längst gibt es ganz andere Möglichkeiten mittels KI Bilder, Audiostreams oder Filme zu erzeugen. Es reichen wenige Videos von Reden eines Politikers, um mithilfe der KI einen komplett simulierten, also gefälschten Vortrag zu erzeugen, der das Original bis in Mimik, Sprachgebrauch und Mundbewegung imitiert. Und dabei stehen wir noch ganz am Anfang von KI. Werkzeuge dieser Technologie können für Desinformationen genutzt werden, oder aber auch für gute Zwecke.
Viele haben Angst vor KI, weil sie ihren Arbeitsplatz bedroht sehen und sich Sorgen machen, dass KI wichtige Entscheidungen übernimmt. Der Mensch hat seit Jahrhunderten gelernt, Menschen zu vertrauen und nicht Maschinen. KI sollte niemals dem Menschen gleichgestellt sein. Es ist das Menschliche, das sich insbesondere in Liebe, Barmherzigkeit, Nächstenliebe und Beschützerinstinkt dem Schwächeren gegenüber zeigt. Zusammen mit dem Streben nach Freiheit können Maschinen dies nicht darstellen. Gefährlich wird es, wenn die Maschine dem Menschen Menschlichkeit und Glaubwürdigkeit vorgaukelt, und wir darauf hereinfallen.
Aber Angst müssen wir nicht haben. Sich den Dingen immer zu stellen und klarzumachen, was wichtig ist, was man benötigt und wie man mit dem Thema umgeht, das ist gefragt. Nur zu hoffen, dass alles einfacher, bequemer und besser wird, ist natürlich falsch. Man muss stattdessen fragen, was man selbst benötigt, um die Dinge zu verstehen.
Schon immer haben die Menschen versucht, die Welt zu verstehen mit den Möglichkeiten, die sie hatten. Früher waren es die Erzählungen der Händler, die von Ort zu Ort gingen, Anzeigenblätter folgten, die später zu Zeitungen in unserem Sinne wurden, dann Medien und das Internet. Aber eines hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Wir vertrauen immer mehr der virtuellen Wahrnehmung und nicht mehr dem, was Menschen uns erzählen, zumindest wenn es um schnelle Informationen und Wahrnehmungen geht.
Der Glaube an die Richtigkeit dessen, was aus dem Bildschirm gesagt wird oder aus dem Rechner oder aus dem Mobiltelefon kommt, ist heutzutage nahezu unerschütterlich. Dabei wissen wir oft gar nicht, welche Quellen, Interessen oder Manipulationen dahinterstecken. Die eigenen Erfahrungen mit allen sechs Sinnen, die Weitergabe durch Menschen und Überprüfung anhand der Einschätzung dieser Menschen haben bei uns jahrhundertelang einen Instinkt für richtig und falsch geprägt. Virtuell wird uns dagegen eine Wirklichkeit vorgegaukelt, die sich mit unserer Erfahrung in der realen Welt nicht deckt.
Die Zufriedenheit der Menschen und ihre Glücksgefühle haben damit zu tun, dass wir handeln, nachdenken, sprechen und uns mit anderen austauschen, insbesondere mit Freunden. Wichtig ist, dass wir echte Freunde haben, also Menschen, denen wir vertrauen, die wir schätzen, mit denen wir gerne zusammen sind. Sie sind nach der engen Familie das Wichtigste, was es gibt. „Gute Freunde kann niemand trennen“, sang 1966 der kürzlich verstorbene Franz Beckenbauer. Ein Lied, das heute Kult ist. Freundschaften müssen sich entwickeln und brauchen Zeit. Und zudem benötigen sie Bestätigung durch Engagement, Interesse und Hilfe untereinander. Dies geht nicht virtuell, sondern nur direkt. Hunderttausend Follower sind nichts gegen einen Freund.
Wir müssen unsere Ängste, Sorgen und Nöte teilen und mit anderen gemeinsam Schönes erleben, so dass sich die Freude verdoppelt. Gesundheit und Wohlbefinden hängen zwar vom Körper ab, aber auch vom Geist. Die geistige Fitness wiederum entsteht nur, wenn wir sie trainieren. Nie war der Satz richtiger als heute: Lebenslanges Lernen heißt die Devise!
Und wer weiß, vielleicht gibt es nach den harten Coronajahren bei uns wieder ein Sommermärchen wie 2006. Mit Bayern München und Borussia Dortmund zählen zwei Vereine zu den besten vier in Europa. Zuletzt hat die Nationalmannschaft mit den Siegen gegen den Favoriten Frankreich und gegen den Geheimfavoriten Niederlande für Fußballeuphorie gesorgt. Es fehlt uns zur großen Feier im Sommer nur noch schönes Wetter, eine erfolgreiche EM, dass wir draußen grillen und wieder Public Viewing mit Freunden und Bekannten feiern können, den Menschen näherkommen und viel mehr erleben als der Bildschirm oder ein KI-Modell je bieten kann.
Der Baldhamer Dr. Frank Meik ist geschäftsführender Gesellschafter des MW Verlags München und Autor der Bücher „Wir klicken uns um Freiheit und Verstand“, „Digitale Attacke“ und „Wege durch den Digitaldschungel“.