Eine sichtlich verärgerte Bürgermeisterin läutete gestern Abend (15.3) die Haarer Gemeinderatssitzung ein. Grund und Auslöser für die anfangs schlechte Laune von Gabriele Müller (SPD) waren Querschläge der CSU.
Die CSU versucht mittels Unterschriftsammlung den Druck zu erhöhen. Sie wollen neben dem Grundschul(neu)bau auch einen Bau der FOS/BOS, sowie Realschule in Haar, den sogenannten “Schulcampus”. Bereits 1.200 Bürgerinnen und Bürger hätten, Stand vergangener Samstag, unterschrieben. Unterstützung bekommen die Christsozialen dabei von den Grünen.
„Ich bin, wie alle hier, für eine Realschule“, verlas Bürgermeisterin Müller gleich zu Beginn der rund zweistündigen Sitzung. Doch als Erste Bürgermeisterin könne sie die Pläne nicht akzeptieren. Grund: Die Finanzierbarkeit. Als einen „Haushalt der Verantwortungslosigkeit“ bezeichnete sie den Bau des Schulcampus. Die Gemeinde könne so mit Krediten und Schulden nicht mehr frei agieren, der „Haushalt ist so nicht mehr in unseren Händen.“ Genau diese finanziellen Engpässe und Handlungsfähigkeit will die Bürgermeistern ihren zukünftigen Bürgern nicht zumuten.
Besonders angesäuert zeigte sich Müller über das Verhalten der CSU-Gemeinderatsfraktion. Deren öffentliches Nach-Vorne-Preschen konterte Müller in ihrem Eingangsstatement: „Glaubt jemand ernsthaft, dass sie damit Landrat oder mir oder sei es auch wenigstens nur der Sache wegen, einen Gefallen tun?“
Die Antwort der CSU lies nicht lange auf sich Warten und folgte wenige Minute später, als unter Sitzungspunkt 5 die „Erweiterung der Grundschule am Jagdfeldring“ diskutiert wurde.
Angespannte Situation
Müller stellte zunächst die Notwendigkeit eines Neubaus dar. Eine Standortanalyse „zur Errichtung einer 4-zügigen Ganztages-Grundschule, mit 3-Fach-Sporthalle und Mensa“, werde gebraucht. Außerdem bedarf es bei einer Ganztagsschule für jeden Klassenraum auch noch einen zusätzlichen Gruppenraum, sowie einen weiteren Raum für Sport-, Musik- oder auch Ruhe-Aktivitäten. (Zur Info: ein so genannter Grundschul-Zug besitzt 4 Klassen mit je 25 Schülern, in der Folge besitzt eine 4-zügige Schule rund 400 Schüler). Betrachtet wurden folgende Standorte:
Schulzentrum St.-Konrad-Straße:
- Erweiterung ist nur durch Aufstockung des Mittelschultraktes möglich, dadurch ist die Errichtung von sechs Klassenzimmer möglich
- Aktuell: Vier Züge belegen auch die Räume der Mittelschule. Die Kapazität ist nahe an ihren Grenzen
- Folge: der erforderliche Raumbedarf kann damit nicht gedeckt werden
Schulzentrum Jagdfeldring:
- Aufstockung des Grundschul- und Gymnasiumsgebäudes würde nur sechs Klassenräume schaffen, eine Aufstockung alleine der Grundschule schafft nur zwei Züge
- Verwaltung rät Aufstockung deshalb zu verwerfen und einen Neubau für vier Züge, sowie Mensa, Sporthalle und Tiefgarage zu errichten, um den Bedarf zu decken
- Folge: Erweiterung am Jagdfeldring mit vier zügigen Neubau erleichtert Konradschule, da eine Umverlagerung möglich ist
Jahngrundstück:
- Sehr ungünstige verkehrstechnische Erschließung
- Und: Das Grundstück scheidet aufgrund städtebaulicher Überlegungen aus
Marie-Luise-Fleißer-Weg (Baseballplatz)
- Sportflächen des Sportparks müssen mitgenutzt werden können
- Hauptgrund: Grundstück optimale Voraussetzungen zur Nutzung als Gewerbestandort, generell ist der Ausbau ein wichtiges zukünftiges Vorhaben der Gemeinde
Eine Schulbedarfsanalyse wurde bereits bei den Gemeinderatssitzungen vergangenes Jahr im Oktober und November durchgeführt, nach Einwohnerzahlen wird die Gemeinde mit Zuzügen durch bekannte Bauvorhaben im Jahr 2021 bereits rund 1000 Grundschüler besitzen. Ausgegangen wird von einer Klassenstärke mit 25 Schülern, was schließlich laut Hochrechnung zu rund 39 Klassen führen wird. Wovon mit einer 70-Prozentigen Ganztagesbelegung zu rechnen ist. Alleine im kommenden Schuljahr erwartet die Grundschule St.-Konrad-Straße vier und die Grundschule am Jagdfeldring sogar sechs neue erste Jahrgangstufen.
„Diese 8-zügige Grundschule lässt keine Schulfamilie mehr zu”
Als Vorschlag der Gemeinde, um die Situation zu entspannen, wurde eine Belegung der Konradschule mit drei Zügen (zwölf Klassen) und das Jagdfeldschulzentrum mit acht Zügen (32 Klassen) angedacht. Vier sollen dabei im Neubau am Jagdfeldring und vier im aktuellen Gebäude untergebracht werden.
Rund 800 Schüler am Jagdfeldring, zu viel, zu anonym für die CSU. „Eine Mammutschule mit 800-900 Schülern im Alter von 6-10 Jahren, die jeglicher pädagogischer Grundlage entbehrt. Diese 8-zügige Grundschule lässt keine Schulfamilie mehr zu“, erklärte Gerlinde Stießberger im Namen ihrer Partei. Sie schlug außerdem vor, nochmal die „zukünftige Schullandschaft in Haar als Gesamtes“ näher zu betrachten, ein Hinweis auf den gewollten Schulcampus. „Um über Alternativen und weitere Optionen nachzudenken, brachte Stießberger den Vorschlag an, den Beschluss des Gemeinderats um weitere „vier Wochen zu vertagen, um konstruktive Gespräche miteinander zu führen”. Sowohl die Grünen unter dem Fraktionssprecher Mike Seckinger als auch die Freien Wähler sahen keine Notwendigkeit für eine weitere Aufschiebung. „Ich bin eigentlich immer sehr für Dialog, aber ich weiß nicht mehr was das jetzt noch bringen würde. Die Auswahl ist relativ eingeschränkt“, sagte Antonius van Lier (FW).
Der von der CSU als „Mammutschule“ betitelte Neubau wird Realität, da der Gemeinderat mit Ausnahme der CSU-Abgeordneten den Beschlüssen zur „notwendigen Erweiterung“ zustimmte. Nächster Schritt ist ein Architekturwettbewerb, der zwischen neun und zwölf Monaten dauert.
Wie es in der Causa Realschule und FOS/BOS weitergeht ist unklar. In Riem wird nun laut Müller eine neue Realschule gebaut. Ob deshalb die Notwendigkeit für eine weitere Realschule im nahegelegenen Haar, genauer gesagt im 2,5 Kilometer entfernt liegenden Gronsdorf, gegeben ist, bleibt ihrer Meinung nach zu bezweifeln.
Anfang April trifft sich die Haarer Rathauschefin jedenfalls mit Bezirkstagspräsidenten Josef Mederer (CSU). Thema ist ein Grundstückstausch für den Bau für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und damit zu weiteren möglichen Plänen für eine FOS/BOS. Diese will Müller gleich bauen, eine Realschule schieben, bis die finanzielle Situation das Investment ermöglicht.
Es bleibt also spannend, wie und ob sich die Schullage in Haar entwickelt.