Es war das Thema des Abends: die Verkehrsbelastung für Haar. Konkret: was passiert, wenn BMW sich mit dem Forschungszentrum für Autonomes Fahren für den Standort Haar entscheidet. Diesmal wurden die Bürger informiert. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) und ein Vertreter der DIBAG stellten sich den Fragen der rund 150 anwesenden Haarer. Spannende Fragestellungen ploppten auf.
Bürgermeisterin Müller wird, so sagte sie an diesem Donnerstagabend (24.11.), selbst oft auf folgende Frage angesprochen: „Wieso soll BMW auf die Finckwiese und nicht nach Eglfing hin?“ Die Antwort lieferte sie in dem Vortrag. Es ist entweder nicht genügend Platz für die Ansprüche von BMW dort oder passende Grundstücke bereits belegt (attocube). Deswegen also die Finckwiese am Ortseingang, kurz nach der Autobahn. „Es sollen 2.000 Mitarbeiter kommen. Bei so vielen Arbeitsplätzen muss man bedenken, das der Standort noch am verträglichsten ist. Aber natürlich ist der Verkehr trotzdem ein massives Thema.“ Was Müller konkret meinte ist, dass die BMW-Mitarbeiter lieber nur über die B304 fahren sollen, als durch das Gemeindegebiet. Doch kommt denn auch jeder der potentiell möglichen neuen Arbeiter mit dem Auto und somit wahrscheinlich über die Autobahn? Jein! Müller rechnete in Drittel-Schritten: 1/3 solle mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen (hier wird über eine Bus-Möglichkeit nachgedacht), 1/3 wird in Haar wohnen (passend: der neue Jugendstilpark und eventuelle Erweiterung im Süden der Finckwiese) und eben letztes Drittel wird mit dem Auto zur Arbeit wollen. „Wer bei BMW arbeitet ist autoaffin und hat gerne ein eigenes Auto.“
Und genau das könnte zum Schrecken vieler Anwohner werden. 2.000 Parkplätze sollen errichtet werden in dem rund 20 Meter hohen Parkhaus auf dem Gelände, die Anwohner der angrenzenden Forsthausstraße fürchten aber schon jetzt: Parkchaos in ihrer Straße. Und weiteres Chaos auf der Wasserburger Straße. Denn da staut es sich schon jetzt viel zu oft. Wenn nun auch noch, zwar etwas versetzt und nicht komplett zeitgleich, rund 700 BMW-Mitarbeiter täglich anrollen, sowie laut DIBAG-Vetreter Sebastian Kuhlen „3-5 LKWs“ für BMW pro Tag, dann könnten zwei Abbiegespuren zu wenig sein. Und das Verkehrssystem vor dem Kollaps stehen. Doch das ist Zukunftsmusik, die Problematik erkannt, die aktuellen Planungen auch nur in einem Frühstadium, wenn auch schon recht konkreten.
„Wir haben alles in den Ring geworfen, damit wir es bekommen“, meinte Müller während der Veranstaltung mehrmals. Denn nun ist die Zeit reif. Frühere Angebote auf der Finckwiese, wurden stets abgelehnt, egal ob Baumarkt, Logistik oder Konsum-Tempel. „Ein Einkaufszentrum auf grüner Wiese in Haar? Das wollten wir nie bei uns haben“, so die Bürgermeisterin. Und weiter: „Wir haben immer gesagt, dass wir die Fläche solange übriglassen, bis ein Investor mit Unternehmen kommt die zu uns passen.“ So wie anscheinend die DIBAG und BMW. DIBAG hat das Grundstück erworben, die BMW AG soll der Mieter werden. Sebastian Kuhlen dazu: „Wir wurden im August/September davon angesprochen, dass BMW ein Zentrum für Autonomes Fahren plant im Münchner Vorland“, so Sebastian Kuhlen. Dann kam es zur Kaufoption auf der Finckwiese, die mittlerweile erworben ist. Alle Verfahrenskosten soll auch die DIBAG tragen. Die Planungen wie berichtet für den ersten Bauabschnitt vorgestellt. Ist eine Erweiterung denn möglich? „BMW hat da rund 100.000 Quadratmeter. Wir picken uns nicht ein Stück aus dem Kuchen heraus, sondern wir überlegen was da noch hin kann“, erläuterte Sebastian Kuhlen. Was er meint: die Finckwiese zählt 155.000 Quadratmeter, Platz also noch gewerblich anzubauen oder auch Wohnraum („sofern es die Gemeinde so will“) – und auch eine Erweiterung für BMW sei irgendwann einmal in Zukunft möglich, auch wenn das aktuell überhaupt kein Thema sei. Aber genau das sei gerade einer der Vorteile gegenüber den anderen Mitbewerbern.
Müller auf die Frage nach den Vorteilen ihrer Gemeinde und später die Chancen: „Die Fläche für die Bedürfnisse von BMW sind maßgeschneidert, samt der Option zu erweitern. Die Autobahn ist in der Nähe und die Lebensqualität in Haar eh hoch,“ meinte Müller ehe sie über die Konkurrenten mit zwinkerndem Auge sagte: „Über die anderen mag ich gar nicht reden.“ Bei „50:50 sehe sie die Zuschlags-Chance, aber erst in rund zwei Wochen werde man mehr wissen.
Einer der schon jetzt mehr wissen wollte war ein Haarer Bürger. Leander Schreckenbach legte eine fulminante Rede hin. Ein Auszug: „Kommunal erwarte ich, dass die Bürger entscheiden dürfen. Nur mal zur Relation, wenn in die 22.000-Einwohner-Gemeinde Haar 2.000 neue Arbeitsplätze entstehen, ist das prozentual so wie wenn München plötzlich 100.000 neue schafft.“ Auch über das Verkehrschaos hatte er eine Meinung: „Wir wissen alle, dass man da noch keine Idee hat und es chaotisch wird.“ Final hinterfragte er den konkreten Nutzen. Müller meinte zuvor, dass die Gewerbesteuer natürlich einer der Vorteile sei. Schreckenbachs letze Worte: „Ich sehe keinen Nutzen für mich persönlich, meine Familie und die Menschen hier in dem Raum. Das einzige was hier als Argument vorangebracht wird, ist der Imagegewinn. Ich persönlich verzichte da lieber darauf, als Abgas und Lärm zu erhalten. Das ist nur eine Stellungnahme, ich brauche keine Antwort.“ Applaus brandete auf von den rund 150 anwesenden Bürgern. Doch auch wenn Müller nicht aufgefordert wurde eine Antwort zu liefern, tat sie es. Ebenfalls mit fast genau so viel Beifall wie Schreckenbach: „Wir können uns damit finanziell weiter erholen und breiter aufstellen. Das schafft die gute Infrastruktur von der Haar lebt. Damit jeder einen Krippen-, Kindergartenplatz erhält oder das es drei Bäder in der Gemeinde gibt, muss es Finanzkraft geben.“
Müller kämpfte für das BMW-Projekt, bei vielen Wortmeldungen merkte man Zustimmung. Vor allem das Verkehrschaos und auch die zukünftigen Konsequenzen bereiteten etwas Sorgen. Über die Mieten hatte Müller schließlich auch noch etwas zu sagen: „Die Mieten sind in Haar eh schon hoch. Es ist mir ein Anliegen, dass sie trotz der 2.000 neuen BMW-Mitarbeiter nicht weiter steigen.“
Aber, ob das überhaupt der Fall sein könnte, entscheidet sich am 5. Dezember. Dann nämlich will der BMW Vorstand seine Entscheidung fällen. Und dann gehen die nächsten Planungsschritte bei der DIBAG und Haar voran.
Die Bürger sollen weiter informiert werden, nächstes Mal auch von einem Fachexperten von BMW selbst, sofern das Projekt Realität wird. Wenn es so kommt, will BMW bereits Anfang 2018 mit ihrem Forschungszentrum für autonomes Fahren (größtenteils) fertig sein. Denn bereits 2021, sollen die Fahrzeuge serienreif sein. „Aber das ist nicht unsere Sache“, merkte Sebastian Kuhlen an. Man darf gespant sein, ob sich dieser stramme Zeitplan rechnet. Mit oder ohne Haar.