„Wie war das damals im Krieg? Mit den Nazis? Und mit den Juden? Was habt ihr erlebt? Was habt ihr gemacht?“, mit diesen Fragen machen sich Jugendliche aus dem Ernst-Mach-Gymnasium (EMG) und aus der Mittelschule Haar in diesem Schuljahr auf „Spurensuche“, um herauszufinden, wie das damals im Nationalsozialismus war. Und wie sich die Jugend heute von der damaligen unterscheidet. Dabei herauskommen soll ein Theaterstück, das 2016 seine Premiere feiert.
Die Idee zu dem theaterpädagogischen Projekt stammt von Farina Simbeck. Den Kontakt zur Bürgerstiftung hat die Theaterpädagogin durch ihre Arbeit für die „Jugendbühne Haar“ und die „Identity-Workshops in den Osterferien. Simbecks Konzept der „Spurensuche“, das mit der Weiße Rose Stiftung e.V. abgestimmt wurde, sieht vor, dass die Jugendlichen zusammen mit zwei Schauspielern des Jungen Schauspiel Ensemble München, Theresa Hanisch und Ruben Hagspiel, eine Inszenierung erarbeiten. Die Grundlage dafür bilden Gespräche mit Zeitzeugen, Recherchen in der eigenen Familie und im Bekanntenkreis, dokumentarisches Material sowie Besuche von Gedenkstätten. Im Anschluss an die Aufführung werden Workshops beispielsweise zum Thema „Zivilcourage“ stattfinden. Simbeck will damit den Bogen spannen zur heutigen Jugend. „Mir geht es darum, dass die Jugendlichen erkennen, in welchen Situationen sie heute auch Mut brauchen, wo sie lernen können sich einzusetzen und sich quer zu stellen, ohne sich dabei in Gefahr zu bringen.“
Für die Umsetzung des Projekts hat die Bürgerstiftung Partner gewonnen: die Weiße Rose Stiftung e.V., die Gemeinde und die Volkshochschule Haar sowie die Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg. Die Projektkosten in Höhe von 22.000 Euro sind gedeckt. Die Weiße Rose Stiftung e, V begleitet das Projekt bei den historischen Inhalten.
Seit Schulbeginn sind nun 32 Schülerinnen mit Begeisterung bei der Sache. Thomas Ritter, Deutschlehrer und verantwortlich für die Theater-AG am EMG, leitet zusammen mit Farina Simbeck die Gruppe. Die beiden kennen sich bereits von der „Jugendbühne“. Die Projektassistenz haben Andreas Gebhard, Jasmin
Schels, zwei ehemalige EMGler mit Theatererfahrung. Andreas Gebhard studiert sogar mittlerweile Theaterwissenschaften und sammelt als Abendspielleitung am Residenztheater in München praktische Erfahrung.
Vanessa Gostimrovic, Franziska Rosenberger und Neal Coggs haben sich dem Projekt angeschlossen. Sie sind 14 Jahre alt und besuchen die 9. Klasse. Ernst, aber auch begeistert erzählen sie bei einer Projektsitzung in den Geschäftsräumen der Bürgerstiftung von ihren Erlebnissen in der Denkstätte der Weißen-Rose-Stiftung in der Ludwig-Maximilian-Universität und von ihrem Besuch im Bayerischen Landtag, bei dem sie ein Konzert mit Liedern aus dem KZ Theresienstadt hörten.
Die zeitgeschichtlichen Dokumente und die persönlichen Erlebnisberichte verarbeiten die jungen Leute in ein Theaterstück. „Das Thema finden die Schüler selbst“, sagt Thomas Ritter. „Nach meiner Erfahrung wird sich das bis Weihnachten spätestens herauskristallisieren.“ Dr. Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung ist davon überzeugt, dass „work in progress“ genau der richtige Ansatz für die Schüler ist. „Der Besuch der Schüler in der DenkStätte Weiße Rose signalisierte uns, wie ernsthaft die Schüler bei der Sache sind und sich des Themas annehmen.“ Im Lichthof der LMU haben die Jugendlichen dann auch gleich ihre erste spontane Theaterszene gespielt, dort wo Sophie und Hans Scholl ihre Flugblätter verteilten. „Wir haben wirklich eine hochmotivierte, tolle Gruppe“, freuen sich Simbeck und Ritter.
In den nächsten Wochen stehen noch viele Punkte auf dem Programm: Ein Besuch des Psychiatriemuseums in Haar und des NS-Dokumentationszentrums in München, die Kinderoper „Brundibar“ und das Theaterstück „Lamettaregen“ an den Kammerspielen. Gespräche mit Zeitzeugen kommen hinzu. Max Mannheimer, der in Haar wohnt, hat bereits zugesagt. „Momentan bin ich fast schon am Bremsen, damit die Kinder die Eindrücke auch gut verarbeiten können und es nicht zu viel wird“, sagt Thomas Ritter. Aber gerade der Kontakt mit Zeitzeugen ist den Projektverantwortlichen wichtig. „Wir freuen uns über weitere Gesprächsangebote“, sagt Farina Simbeck. „Die Jugendlichen haben großes Interesse daran, mehr über Kindheit und Jugend im Krieg in Haar zu erfahren.“ Wer Interesse hat, kann sich anmelden per Mail unter farina.simbeck@email.de
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte sei wichtig, sagt Jürgen Partenheimer, der Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Haar. „Ich habe die NS-Zeit damals selbst als kleines Kind erlebt und einiges geht mir bis heute nahe.“ Partenheimer ist vor dem Mauerbau nach West-Berlin geflohen. „Krieg und Flucht – gerade jetzt ist das Thema durch die Asylbewerber hautnah bei uns angekommen“, sagt Bürgermeisterin Gabriele Müller. „Ich bin sehr gespannt, welchen Spiegel die Kinder uns vorhalten werden.“
Die Uraufführung des Stücks wird in der Woche vom 25. bis 29. April 2016 in der Aula des EMG stattfinden.