Als „historischen Augenblick“ bezeichnet Vaterstettens Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) den heutigen Tag – die Bürgermeister von Grasbrunn, Haar und Zorneding unterschrieben am Donnerstagnachmittag den Gesellschaftsvertrag der neuen Geothermie-Bohrgesellschaft “Gemo”. Doch die Kosten für das ehrgeizige Projekt haben es in sich: auf 50 Millionen Euro wird das gesamte Vorhaben – nur die Bohrung, ohne das Fernwärmenetz – geschätzt. Für das Netz ist jede Gemeinde selbst verantwortlich, hier gibt es wesentliche Unterschiede im Bestand, was am Ende unterschiedliche Wärmepreise pro Gemeinde bedeuten könnte.
An der „GeoEnergieMünchenOst“ GmbH beteiligen sich die vier Gemeinden in unterschiedlicher Höhe: Vaterstetten ist mit 45 % dabei, dem größten Anteil. Es folgen Grasbrunn (25 %) und Haar (20 %). Zorneding hält 10 % des Unternehmens, zu dessen Geschäftsführern der Vaterstettener Kämmerer Markus Porombka (für die Finanzen) sowie Tobias Aschwer (technischer Geschäftsführer) bestellt werden.
Zunächst werden 500.000 Euro, die sich nach Anteilsstruktur aufteilen, in die Gesellschaft eingezahlt. Für die Gemeinden ist das Projekt ein „Jahrhundertprojekt“, wie die Bürgermeister betonen. Für die erste Bohrung fallen ungefähr 15 Millionen Euro Kosten an. Abzüglich 40 % Förderung durch den Bund beträgt das größte Risiko für die Kommunen also insgesamt rund 9 Millionen Euro, Vaterstetten ist mit 5 Millionen dabei. Das Geld ist futsch, sollte die Bohrung nicht erfolgreich sein. Denn erst nach Abschluss der ersten Bohrung ist klar, ob eine sogenannte Fündigkeit vorliegt – also ausreichend heißes Wasser gefunden wird – erst dann werden beispielsweise Pumpen eingebaut und mit der zweiten Bohrung begonnen. Dann würden Fremdkapitalgeber „Schlange stehen“, sagt Spitzauer. Er meint damit allerdings nicht etwa externe Investoren sondern Kreditgeber, also Banken.
Bislang zeigte man sich überzeugt, dass die Förderung des Bundes für die Bohrung, die auch im Falle einer Nichtfündigkeit ausgezahlt wird, kommen wird. Doch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist unklar, ob es zu Verzögerungen oder gar dem Wegfall der Förderung „effizienter Wärmenetze“ kommen wird. „Wir wissen gerade nichts“, so Bürgermeister Spitzauer, der auf eine Einigung auf Bundesebene hofft und sich zuversichtlich zeigt.
Die Fündigkeit absichern kann man nach derzeitigem Stand nicht, eine Versicherung existiert nicht, doch es gibt offenbar eine geringe Hoffnung: „am Horizont“ entwickle sich vielleicht gerade ein solches Produkt, denn der Wissensstand sei weiter als vor einigen Jahren, sagt Tobias Aschwer.
Klaus Korneder (SPD), Grasbrunns Bürgermeister, bemängelte fehlende Unterstützung durch den Freistaat, dass sich dieser bei der Wärme-Wende so zurückhalte, sei „bedauerlich“, so Korneder, der sich etwa Bürgschaften vom Freistaat wünschen würde. Dem stimmte auch Andreas Bukowski (CSU), Bürgermeister von Haar zu.
Schwarze Zahlen soll die Bohrgesellschaft übrigens schon Anfang des kommenden Jahrzehnts schreiben, sagt Markus Porombka. Amortisieren werde sich das Projekt aber erst später, von einem Zeitraum ab 30 Jahren war die Rede.
Mit der Bohrung könnte – sollte es beim Förderbescheid keine Verzögerung geben – Anfang 2025 begonnen werden. 2026 soll dann zum ersten Mal Wärme ins Netz eingespeist werden.
Im Gegensatz zur Bohrung, die vom gemeinschaftlichen Kommunalunternehmen verantwortet wird, ist jede der vier Gemeinden selbst für den Ausbau und die Belieferung im Gemeindegebiet verantwortlich. Hier gibt es Unterschiede im Bestand:
In Vaterstetten wird das Netz schon seit einigen Jahren von den Gemeindewerken ausgebaut. Bei einem Pressegespräch hieß es, dass es künftig einen “Ring” geben solle, an den Großverbraucher angeschlossen werden. Zunächst sollen sich Anwohner entlang dieses Ausbaus anschließen können. Wo dann weiter ausgebaut wird soll durch Bedarfsermittlungen entschieden werden. Abhängig von möglichen Verzögerungen aufgrund des Endes der Klima- und Transformationsfonds könne der Ausbau mehr oder weniger schnell erfolgen. Ein limitierender Faktor sei dabei auch die Verfügbarkeit von Firmen und Material am Markt, bis ganz Vaterstetten und Baldham erschlossen ist, kann es also dauern. Ob andere Gemeindeteile angeschlossen werden, ist noch unklar, diese Frage ist unter anderem Gegenstand der kommunalen Wärmeplanung.
In Grasbrunn und Haar existieren bereits kleinere Wärmenetze, hier ist ein Ausbau nötig. Unklar ist noch, in welcher Form ein Anschluss erfolgen soll – mit eigenen Rohren oder durch Anschluss an das Vaterstettener Netz. Gerade im Falle Grasbrunn ist das denkbar. In diesem Falle würden Netzentgelte erhoben werden – was zu einem unterschiedlichen Wärmepreis für Abnehmer je Gemeinde führen könnte.
In Zorneding ist noch gar kein Netz vorhanden. Zunächst möchte man Zorneding und Pöring anschließen. Schwieriger sei die Situation in Ingelsberg und Wolfesing, wie Bürgermeister Piet Mayr (CSU) betont: „wir wollen es schaffen“, die Mittel seien eine „exzellente Investition in die Zukunft“.
Hinsichtlich der Dimension des Projekts spricht Klaus Korneder von einem „extrem dicken Brett, was wir da bohren“. Finanziert werden soll es durch Rücklagen der – ab kommendem Jahr voraussichtlich – schuldenfreien Gemeinde. Vom Projekt sei man sehr angetan, und anders als vor über 10 Jahren, in dem die Geothermie schon einmal versucht wurde, sei die Bereitschaft im Gemeinderat sehr ausgeprägt. Anders sieht die finanzielle Situation in Vaterstetten aus, hier ist die Haushaltslage angespannter. Spitzauer sei deshalb froh über die interkommunale Zusammenarbeit und, dass man das Risiko auf mehrere Schultern aufteile: „Wir sind sicher, dass wir das schaffen.“ Zuversichtlich zeigt sich auch Andreas Bukowski. Die Bürger „wollen mitgenommen werden“, es gäbe schon viele Anfragen, wann die Geothermie nutzbar sei.