Grasbrunn steigt bei Geothermie ein

von Leon Öttl

Es ist ein äußerst ehrgeiziges Projekt, was sich die Gemeinde Vaterstetten da ins Lastenheft geschrieben hat. Schon 2025 möchte man nahe der Autobahn-Raststätte an der A99, auf einem Acker zwischen Vaterstetten und Weißenfeld, 3,2 Kilometer tief in die Erde bohren, um Erdwärme abzuzapfen und somit bei der Wärmeversorgung autark zu werden. Allein die Kosten für den Aufbau der Geothermie- Förderanlage dürften allerdings bei mindestens 50 Millionen Euro liegen. Dazu kommt noch der (weitere) Ausbau des Fernwärmenetzes. Erhebliche Summen, die da auf die klamme Gemeindekasse zukommen. Deshalb sucht man bei den Nachbargemeinden Partner. Wenn andere mitmachen, sei es besser, doch „auch für Vaterstetten alleine wäre das Projekt wirtschaftlich“, sagt Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU). Als erste Gemeinde entschied sich nun Grasbrunn konkret für eine Beteiligung.

Machbarkeitsstudie sieht gute Voraussetzungen

Klaus Dorsch stellte dem Vaterstettener Gemeinderat am vergangenen Donnerstag eine Machbarkeitsstudie vor. Neben einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, die nichtöffentlich behandelt wurde, gab es Angaben zur erwarteten Temperatur – und diese Werte sind noch etwas besser als bei der letzten Annahme. Man betrachtet das Projekt statistisch. Im Business Case, der den Durschnitt angibt, wird eine Fördertemperatur von 95,5 Grad erreicht. Im schlechtesten Falle rechnet man von einer Temperatur von 84,2 Grad, im Glücksfall ist sogar eine Temperatur von 106,8 Grad möglich. Man erwartet eine Förderrate von 114 Litern je Sekunde und eine Leistung von 21 Megawatt. Anders als der Name Machbarkeitsstudie vermuten lässt ist diese sehr detailliert, etwa was die Bohrstrecke betrifft. 

Bei der Geothermie wird heißes Wasser aus über 3 Kilometern Tiefe gewonnen. Anschließend wird die Wärme genutzt und kaltes Wasser zurückgeleitet Grafik: Erdwerk GmbH 2023

Netzausbau schreitet voran

In der Gemeinde Vaterstetten gibt es bereits ein Fernwärmenetz mit einer Länge von insgesamt rund 13,6 Kilometern und rund 260 Abnehmern. Aktuell kommt die Wärme dafür aber eben nicht aus der Erde, sondern durch die Verbrennung von (Bio-)Gas beim Blockheizkraftwerk am Stadion Vaterstetten. Das Blockheizkraftwerk soll es auch im Falle der Umsetzung des Geothermie-Projekts weiter geben und für zusätzliche Versorgungssicherheit sorgen – etwa um Zeiten starker Beanspruchung des Netzes oder bei Ausfall der Pumpe auszugleichen. Ein genauer Ausbauplan für das Fernwärmenetz wird noch erarbeitet. Klar machte Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) jedoch, dass große Verbraucher wie die Schule an der Brunnenstraße zuerst angebunden werden. Ein Meter Netz kosten in der Realisierung laut Rathaus-Chef rund 1.500 Euro.

Wer soll das bezahlen?

Zunächst werden sich an der neu zu gründenden GmbH & Co. KG wohl nur Gemeinden beteiligen, doch „wenn die erste Bohrung erfolgreich ist, stehen der Geothermie-Firma auch Fremdkapitalmittel in Aussicht“, sagt Bürgermeister Spitzauer auf Nachfrage. Die Kosten für die Bohrung alleine wurden mit 50 Millionen Euro kalkuliert, davon ist eine 40-prozentige Förderung des Bundes im Aussicht – in gleicher Höhe wird der Netzausbau gefördert – zumindest für alles, was innerhalb von sechs Jahren gebaut wird, danach ist keine Förderung möglich. 

Grasbrunn stimmt für Beteiligung

Offen war bislang, welche Gemeinden sich am Projekt beteiligen. Im Gespräch sind Zorneding, Haar und Grasbrunn. In allen Gemeinden stand, beziehungsweise steht das Projekt in dieser Woche auf der Tagesordnung der Gemeinderäte. Aus Grasbrunn kam bereits Ende Juli ein klares Signal zur Zusammenarbeit, einstimmig beauftragte der Gemeinderat die Verwaltung mit den Vorbereitungen einer Beteiligung. Am gestrigen Dienstag (26. September) erfolgte dann ein weiterer Schritt: einstimmig votierten die Mitglieder konkret für einen Einstieg als Gesellschafterin der Fördergesellschaft.

Anders als in Vaterstetten besteht abgesehen von mehreren kleinen Wärmenetzen noch keine Netzinfrastruktur für Wärme, daher soll in Grasbrunn eine eigene Netzausbaugesellschaft gegründet werden. Zum Netzausbau wurde eine Machbarkeitsstudie beauftragt, deren Ergebnis voraussichtlich im Oktober vorliegen wird.

„Es freut mich sehr, dass die Mitglieder des Grasbrunner Gemeinderats geschlossen das Projekt Geothermie unterstützen und vorantreiben. Ich gehe davon aus, dass der baldigen Gründung einer Bohrgesellschaft gemeinsam mit unseren Nachbargemeinden nichts mehr im Wege steht“, so Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) gegenüber B304.de

Haar fällt Grundsatzbeschluss

Auch im Gemeinderat Haar war das Großprojekt Thema. Die Gemeinderäte schlossen einen einstimmigen Grundsatzbeschluss. Darin heißt es, man sei grundsätzlich zu einer Beteiligung bereit. Die Haarer Verwaltung erachtet eine Beteiligung für „äußerst sinnvoll“. Mit dem Beschluss soll das bestehende Fernwärmenetz ausgebaut und weitere Überlegungen hierzu verfolgt und konkretisiert werden. Thomas Fäth (SPD) schlug vor, in den Beschlusstext aufzunehmen, dass noch „einige offene Fragen zu klären“ seien, sonst entstehe der Eindruck, eine endgültige Entscheidung sei bereits gefallen. Dies sei nicht nötig, so Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU), denn die Erklärung einer Bereitschaft bedeute nicht, dass zwingend ein Vertrag unterschreiben wäre. Im Beschlusstext wurde ergänzt, dass die Gemeinde in konkrete Vertragsverhandlungen eintrete. „Mit dem Grundsatzbeschluss hat der Gemeinderat am Dienstag sein Interesse an einer nachhaltigen, zuverlässigen und bezahlbaren Wärmeversorgung für die Gemeinde Haar bekräftigt und die Verwaltung mit Vertragsverhandlungen beauftragt. Ich bin zuversichtlich, dass wir das zukunftsorientierte Projekt bald an den Start bringen können“, kommentiert Bukowski den gestrigen Beschluss.

Zorneding: ebenfalls positive Signale

Die östliche Nachbargemeinde Zorneding befasst sich am morgigen Donnerstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit dem Thema. Wie in Grasbrunn will man hier ein eigenes Nahwärmenetz aufbauen und hat hinsichtlich der Machbarkeit eine Studie beauftragt, deren Ergebnisse im Spätherbst erwartet werden, so der erste Bürgermeister Piet Mayr (CSU) auf Anfrage: „Bei einem positiven Ergebnis strebt die Gemeinde die interkommunale Zusammenarbeit bei der geothermischen Wärmeversorgung an“.

Bürgschaften: Schlechtes Signal aus der Landesregierung

Das größte Risiko des Projekts ist die Fündigkeit – wenn die Bohrung fehlschlägt, was unwahrscheinlich ist – wird die Fördersumme dennoch ausgezahlt. Zudem fallen dann nicht die gesamten 50 Millionen Euro an, sondern nur Kosten für die erste der zwei Bohrungen. Alle späteren Kosten, darunter das Heizwerk und die zweite Bohrung, würden dann nicht entstehen. Eine Versicherung für diesen Fall gibt es nicht, erklärt Spitzauer: „Mit diesem Thema wird sich derzeit lediglich am Rande beschäftigt. Das Thema wird aber noch ordentlich abgearbeitet“. Allerdings könne man andere Situationen versichern, etwa „lost in hole“.

Und der Freistaat? Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) sagte bei seinem kürzlichen Besuch im Keferloher Festzelt seine Unterstützung für das Projekt zu. Doch im Nachgang stellt das Wirtschaftsministerium klar, Aiwanger beziehe sich lediglich auf die Unterstützung von Planungsleistungen im Vorfeld. Im Münchner Kreistag sprachen sich FDP, Grüne aber auch Freie Wähler für staatliche Bürgschaften aus, um das Fündigkeitsrisiko zu minimieren. Schon vor rund eineinhalb Jahren ging man auf „sämtliche Stellen zu“, betont Leonhard Spitzauer. „Leider haben wir hierzu keine positiven Signale erhalten. Zum Schutz unserer gemeindlichen Haushalte, wäre eine Bürgschaft bei Nichtfündigkeit sehr hilfreich und wünschenswert.“

Erdbeben unwahrscheinlich

Eine Frage, die in der Gemeinderatssitzung aufkam, bezog sich auf das Risiko von Erderschütterungen im Zuge des Projekts. In Poing war es 2016 und 2017 zu Erschütterungen gekommen. Experten halten dieses Risiko allerdings für kontrollierbar und vergleichen es im direkten Bohrungsumfeld mit einem vorbeifahrenden Zug. Im Gemeinderat betonten die Experten, man sei inzwischen „deutlich schlauer“. 

Wie sieht der Zeitplan aus?

Nun heißt es: abwarten – zum einen auf die gewerbliche Erlaubnis, um überhaupt bohren zu dürften. Sie könnte laut Georg Kast (zuständig in der Gemeinde Vaterstetten) bereits „diese oder nächste Woche“ vorliegen.. Zum anderen wird sich zeigen, welche der drei Nachbargemeinden Teil des Projekts werden. Zeitnah soll die Förderung für die Umsetzung beantragt werden und die Fördergesellschaft gegründet werden. Sie verkauft die Wärme dann an den Netzbetreiber, in Vaterstetten die Gemeindewerke. Am Ende profitiere man von einem „vernünftigen Wärmepreis“. Der Zeitplan ist ambitioniert, doch der Bürgermeister zeigt sich optimistisch: „wir tun alles, um 2025 zu bohren“. Im Folgejahr soll dann erstmals Tiefenwärme ins Netz eingespeist werden.