Ein Gastkommentar für B304.de von Joshua Steib. Der 18-jährige Grasbrunner spricht diese Woche als deutscher Vertreter auf einer Jugend-Konferenz der Vereinten Nationen in Mailand über Klimaschutz. Was er zu sagen hat:
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Paddelboot und steuern schnurstracks auf einen gigantischen Wasserfall zu: Wie würden Sie sich verhalten?
Höchstwahrscheinlich alles Erdenkliche tun, um mit vereinten Kräften schnell ans rettende Ufer zu gelangen.
Überraschung: Sie, ich und alle anderen Menschen dieser Welt sitzen in eben diesem Boot. Mit dem Unterschied, dass der Großteil der Passagiere noch die Aussicht genießt und weiter in Richtung Wasserfall paddelt. Ich spreche von einer Herausforderung, die wir in den nächsten Jahren global lösen müssen: dem Klimawandel.
Im November 2021 werden die Staatschefs fast aller Länder der Welt in Glasgow für die jährliche UN-Klimakonferenz (COP26) zusammenkommen, um den Klimaschutz der nächsten Jahre zu besprechen. Man könnte es als die Krisensitzung in der Kommandozentrale des Boots beschreiben. Da sich aber nicht die gesamte globale Klimapolitik in zehn Tagen in Glasgow verhandeln lässt, gibt es davor eine vorbereitende Klimakonferenz in Mailand (Pre-COP26) für Verhandlungen unter den Ministern. Gleichzeitig zu der Pre-COP26 findet der Jugendklimagipfel statt: zwei UN-Jugenddelegierte aus jedem Land, welche das Pariser Klimaabkommen unterschrieben haben, werden Vorschläge erarbeiten und diese mit den Ministern diskutieren. Ich werde als einer der beiden deutschen Delegierten die Jugendmeinungen in den Klimadiskurs einbringen.
Was sind unsere Vorschläge und wie realisierbar sind sie?
Neben einer Vielzahl von Themen, wie zum Beispiel der Einführung eines globalen CO2-Zertifikatehandels, steht vor allem das Thema Klimabildung im Fokus, da es auf dem Jugendklimagipfel eine Diskussion zwischen Jugenddelegierten und verschiedenen Bildungsministern geben wird.
Die gute Nachricht zum Thema Klimabildung: es kann nur besser werden. Für das deutsche Schulsystem ist Klimabildung genauso ein Fremdwort wie menschengemachter Klimawandel für Donald Trump. Offiziell soll Klimabildung in jedem Fach durch thematische Exkurse mit aufgegriffen werden. Doch ein immer noch überladener Lehrplan macht diese thematischen Exkurse praktisch unmöglich. Klimabildung wird immer noch nicht in Lehrpläne inkludiert, obwohl sich Deutschland mit der Unterzeichnung der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen (UN) zur Förderung einer “Bildung für nachhaltige Entwicklung” (BNE) verpflichtet hat.
Wie effektive Klimabildung aussieht, durfte ich vor kurzem auf einer young leaders Akademie in Paderborn erfahren, als ich ein „Future-Lab“ – also eine Art offene „Denkfabrik“ – zum Thema „Alternative Kraftstoffe“ leitete. Die young leaders GmbH führt in Deutschland und Europa überparteilich und überkonfessionell Bildungsveranstaltungen für junge Menschen durch, die sich ehrenamtlich engagieren. In nur drei Stunden haben die rund 25 Teilnehmenden dieses Future-Labs fünf verschiedene alternative Kraftstoffe recherchiert, diskutiert, eine Präsentation erstellt und ihre Ergebnisse schlussendlich an die 100 anderen Teilnehmenden der Akademie weitergegeben. Das zeigt das überwältigende Interesse, mehr über Umwelt-Themen zu lernen.
125 Jugendliche, die in ihren Sommerferien auf einer solchen young leaders Akademie unter anderem an Vorträgen über die „17 Ziele für nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen teilnehmen, sollten Zeichen genug für ein schulpolitisches Umdenken sein. Das Interesse ist sogar so groß, dass die Referierenden oft mit ihren Präsentationen gar nicht zu Ende kommen, da so viele Nachfragen und Diskussionen entstehen.
Auf der young leaders Akademie war auch die Stiftung Technisches Hilfswerk (THW) vertreten. In der Katastophenschutzorganisation THW sind über 80.000 freiwillige Helfer tätig, die sich im In- und Ausland für Menschen in Notsituationen einsetzen. Mittlerweile betreiben Vereine, Initiativen oder Organisationen wie das THW bessere Nachhaltigkeitsbildung als die Kultusministerien. Auf der Sommerakademie des Technischen Hilfswerks, auf der junge „Katastrophenschützer“ aus ganz Deutschland zusammenkommen, gab es zum Beispiel eine „Nachhaltigkeits-Challenge“: Verschiedene Teams sollten zum Thema Mobilität der Zukunft Konzepte entwickeln und diese direkt umsetzen. Dabei sind unter anderem solarbetriebene Transportschubkarren mit Fernsteuerung herausgekommen. Die Entwickler waren keine Ingenieure oder Maschinenbauer, sondern Jugendliche, die Spaß an nachhaltigem Denken haben. Diese Beispiele zeigen, was wir dringend brauchen: neue Bildungskonzepte im Bereich Nachhaltigkeit, die Jugendlichen Raum zum Verstehen, Denken und Handeln zu geben, anstatt ihnen ein „überaltertes Bildungskorsett“ aufzuzwängen. Dafür werde ich mich auf dem Jugendklimagipfel stark machen.