Wenn neues Gewerbegebiet entsteht, kommen meist auch neue Arbeiter in die Region. So auch in Parsdorf. Jedoch, und das ist der Knackpunkt hier, gibt es derzeit im 1113 Einwohner großen Teil der Gemeinde Vaterstetten nur eben jene Arbeits- und Einkaufsstätte. Von neuem Wohnraum ist aktuell nichts zu sehen. Doch das könnte sich schon bald ändern.
Es war der Tagesordnungspunkt, der am spannendsten erwartet wurde bei der Gemeinderatssitzung vom vergangenen Donnerstag (13.10.). Merkbar nicht nur, weil Bürgermeister Georg Reitsberger das genau so betonte, sondern auch viele Anwohner Parsdorfs awesend waren. Grund: viele Einwohner Parsdorfs fürchteten, dass wohlmöglich bis zu 1.000 neue Mitbürger in der Zukunft sich zu ihnen gesellen. Theoretische Folge: nahezu eine Verdoppelung der Einwohnerzahl Parsdorfs. Und das alles nördlich der Sportstätte des FC Parsdorf, südlich der Münchner Straße auf rund 2,5 Hektar nutzbarer Fläche.
Doch die Gemeindeverwaltung nahm schon zu Beginn des Themas deutlich Wind aus den Segeln. Bauamtsleiterin Brigitte Littke wies die Mammut-Verdopplungs-Vermutung sofort zurück. Sie relativierte die Zahl auf rund 175 mögliche neue Einwohner in der Siedlung, aufgeteilt auf drei Häuser mit insgesamt 70 Wohnungen, inklusive einem Parkhaus. Interessant dabei sind zwei Fakten: erstens, dass die Wohnungen günstig sein sollen und somit die Sozialbindung gesichert ist und zweitens, dass das zu bebauende Grundstück noch in den Händen der Landeshauptstadt München liegt. Der Gemeinderat sollte am Schluss der Debatte über die Aufnahme der Verhandlungen mit der Regierung Münchens abstimmen
B es dazu kam, gab es eine hitzige Diskussion, die Stefan Huber von der CSU einläutete: „Sozialer Wohnungsbau ist fast schon ein Schimpfwort. Man meint da mittlerweile schnell, es entsteht ein Ghetto.“ Ehe er sich für den Neubau aussprach mit einem seiner Leitsätze: „Damals hat mir der ehemalige Bürgermeister von Vaterstetten, Peter Dingler eins gesagt: ‚Leben und Arbeiten’ – wer also Gewerbe schafft muss auch für den Wohnraum sorgen.“
Dass das aktuell in keinster Weise der Fall ist, merkte auch Bürgermeister Reitsberger an. Sein Wunsch sei es, dass Auszubildende ohne Führerschein sich in der neuen Siedlung eine günstige Wohnung mieten können, um dann zu Fuß oder mit dem Rad zur Arbeit zu kommen.
Peter Reitsberger (Freue Wähler) pfefferte seine Meinung wenig später hinterher: „Ich muss auch eine Stunde zur Arbeit fahren. Jetzt auf einmal wenden sich die Betriebe an die Gemeinde.“ Aus der selben Richtung schossen auch die Gemeinderäte Helmut Uhl (Freie Wähler) und Manfred Schmidt (FBU(AfD), beide klar gegen die Aufnahme von Verhandlungen und die Wohneinheiten. Uhl dazu: „Es ist kein Geheimnis, dass die Stadt München versucht, den anhaltenden Druck der Ansiedlung auf das Umland abzuwälzen.“
CSU-Fraktionssprecher Dr. Michael Niebler nutze die Gunst der Stunde, denn schon lange war der Sitzungssaal nicht mehr so gut und bis auf den letzten Platz gefüllt wie an jenem Oktobertag. „Wenn ich morgens die Rolladen hochmache und herausschaue, dann blicke ich auf die gesamte Gemeinde. Das ist zumindest mein Selbstverständnis als Gemeinderat, dass ich eine Gesamtverantwortung trage.“ Was er damit im konkreten Fall meinte, klärte er sofort auf: „Wir müssen Wohnraum schaffen für Bürger, die hier arbeiten.“
Doch Dr. Niebler hatte nicht alle seiner Fraktionskollegen auf seiner Seite. Der Parsdorfer-Abgeordnete Leonhard Spitzenauer wollte den Tagesordnungspunkt gleich zu Beginn der Gemeinderatssitzung vertagen, da ihm die Informationsdichte noch zu gering und die Auskunft der Gemeinde zu spät kam. „Ich will nicht, dass da jetzt ein Klotz hingestellt wird“, machte er seiner Befürchtung Luft.
Doch Grund zur Beruhigung gab es von seinem Parteikollegen Albert Wirth. Der verwies darauf, dass die Verhandlungen mit der Stadt München noch völlig „ergebnisoffen“ seien. Erst wenn alles mit der Stadt München geklärt sei, so ergänzte Niebler, kann man den Dialog suchen, offene Fragen klären und konkreter werden. Die Gemeinderatskollegen von SPD und Grünen schlossen sich dem an. Josef Mittermeier (SPD) fasste es zusammen: „Wir akzeptieren das, wenn man es richtig macht. 70 Wohneinheiten passen.“
Bürgermeister Reitsberger schloss das Thema vor der Abstimmung mit einem Satz aus, der die aktuelle Lage, seiner Meinung nach beschreibt: „Ich war bei allen Unternehmen. Und bislang bereut es kein einziger Betrieb dort angesiedelt zu haben.“
Die Gemeinde wurde schließlich mit vier Gegenstimmen beauftragt die Verhandlungen aufzunehmen. Die Arbeitsgruppe „Orts- und Verkehrsentwicklung Parsdorf“ wird in den weiteren Verlauf weinbezogen. Die Bürger Parsdorfs erhalten im Mai kommenden Jahres die Chance sich zu äußern, dann nämlich ist die Bürgerversammlung. Und bis dahin kann, wie Gemeinderat Dr. Niebler feststellte, „eh noch einiges passieren.“