Dr. Walter Bayerlein feierte am 11. Dezember seinen 90. Geburtstag und kann auf ein langes Leben zurückblicken, das ihn geprägt hat – und das er selbst mit viel Humor, Zuversicht und einer Portion Selbstironie geprägt hat. „Ich habe mir überhaupt nicht vorgestellt, dass ich so alt werden könnte“, sagt er schmunzelnd. „Das ist bei meiner Lebensführung eher ungewöhnlich. Ich war beruflich immer unterwegs, habe aus dem Koffer gelebt.“ Und doch steht er heute da: 90 Jahre alt, wach im Geist, interessiert, mit beiden Beinen im Leben – und dankbar.
Ein Vaterstettener durch und durch
Von seinen 90 Lebensjahren hat er stolze 85 in Vaterstetten verbracht. Nur fünf Jahre führte ihn sein Weg fort – als Jugendlicher im Internat der Benediktiner in Niederaltaich. Eine Zeit, die ihn tief geprägt hat. „Hier bin ich einer Möchsgemeinschaft begegnet, die mich in ihrer Art zu leben, absolut überzeugt hat.” Walter Bayerlein ist der Mittlere von drei Brüdern – „Ein echtes Sandwich-Kind“, erzählt er. Der ältere Bruder Peter, vier Jahre älter, der jüngere Fritz, der heute noch in Vaterstetten lebt und als Arzt tätig war. Der Vater kam erst 1948 aus dem Krieg zurück, und so war Bruder Peter „sozusagen der Erziehungsberechtigte“.
Wenn die drei als Kinder etwas angestellt hatten und der Schuldige unklar blieb, lief es meist auf Walter hinaus: „Der Peter macht so etwas nicht, und der Fritz natürlich auch nicht – da blieb nur ich übrig“, erzählt er lachend. Diese Mischung aus gelassenem Humor, realistischer Selbstsicht und liebevoller Familienverbundenheit zieht sich bis heute durch sein Leben.
Ein Berufswunsch von Anfang an
Walter Bayerleins Weg schien früh vorgezeichnet. „Jura wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt er. Großvater und Urgroßvater waren Richter, der Vater Rechtsanwalt. Und auch er wusste schon mit 17: „Richter zu werden war mein Traum.“ In München machte er Abitur, studierte Jura, legte beide Staatsexamen ab und promovierte. Er erfüllte sich damit genau das, was ihn schon als Jugendlicher erfüllte: Gerechtigkeit, Struktur, Klarheit – und immer das Menschliche im Blick.
Ein Mann, der Verantwortung nie scheute
Justiz und Kirche prägten sein Leben. Gleich zweimal – insgesamt fast 20 Jahre – war er stellvertretender Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, dem bedeutendsten Gremium katholischer Laien. 35 Jahre lang gehörte er dem Vorstand des Münchner Diözesanrats an.
Sein wohl folgenreichstes Engagement begann 1999: Als Papst Johannes Paul II. der Kirche untersagte, weiterhin staatlich anerkannte Schwangerenkonfliktberatung anzubieten, war für Walter Bayerlein klar, dass eine Lücke entstehen würde – eine Lücke, die sich nicht mit seinem Gewissen vereinbaren ließ.
Er nennt die päpstliche Entscheidung „eine grandiose Fehlentscheidung von historischer Tragweite“.
Statt sich damit abzufinden, gründete er gemeinsam mit anderen engagierten Katholiken den Verein Donum Vitae, dessen Ziel bis heute ist, Frauen in Konfliktsituationen menschlich, offen und ohne Druck zu beraten. Kein Weg in Richtung Abbruch, sondern ein Weg zu Alternativen, zu Orientierung und Halt. Bis 2014 war er stellvertretender Vorsitzender von Donum Vitae – ein Engagement, das deutschlandweit Beachtung fand. Für sein vielfältiges Wirken erhielt er unter anderem die Bayerische Verfassungsmedaille, die Staatsmedaille sowie das Bundesverdienstkreuz.

Sportler, Vereinsmensch – und einer der Väter des TSV Vaterstetten
Weit weniger öffentlich, aber in der Gemeinde umso bedeutender, ist ein weiterer Teil seines Engagements: Walter Bayerlein gehört zu den Gründern des TSV Vaterstetten. 1962 hob er den Verein gemeinsam mit fünf Mitstreitern aus der Taufe, später war er acht Jahre lang dessen Vorsitzender – „aus Verlegenheit“, wie er gerne scherzt. Tatsächlich aber war es sein Organisationstalent, sein Verantwortungsgefühl und seine Nähe zu den Menschen, die den Verein prägten.
Familienmensch mit Herz
1961 heiratete Walter Bayerlein seine Frau Gertraud. Mit ihr bekam er Tochter Regina und Sohn Markus; später kam Adoptivtochter Sonja dazu. Sechs Enkelkinder bereichern inzwischen das Familienleben. Dass alle in der Nähe wohnen, bedeutet ihm viel. Zum 90. Geburtstag wird am Wochenende groß gefeiert: Ein Familienbrunch mit 42 Gästen – ein Zeichen für ein erfülltes Leben, das viele Spuren hinterlassen hat.
Neugierig geblieben – trotz Post-Covid
Auch im hohen Alter ist sein Geist wach. „Ich leide unter Post-Covid, aber in einer relativ milden Form“, sagt er. „Vor allem Erschöpfungszustände.“ Trotzdem lässt er seinen Kopf nicht ruhen. Er liest weiterhin juristische Fachzeitschriften, löst Rätsel und macht Gehirnjogging. Seine Frau Gertraud ergänzt lachend: „Er hat immer irgendein Papier, das zu lesen ist.“ Und er selbst: „Und das lasse ich – sehr zum Leidwesen meiner Frau – überall liegen!“
Auch Gerichtssendungen im Fernsehen schaut er gerne. „Das ist für mich ganz interessant“, sagt er lachend– eine Mischung aus beruflicher Prägung und lebenslanger Neugier.
Träume, Wünsche und die „Nachspielzeit“
Was er sich noch gern erfüllt hätte? „Ich wäre gerne noch einmal ans Meer gefahren und hätte die Brandung gehört. Aber so eine Reise ist für mich nicht mehr machbar. Aber träumen darf man ja.“
Sein größter Wunsch aber ist von tiefer Menschlichkeit geprägt: „Mein wirklicher Herzenswunsch ist, dass ich noch länger mit meiner Frau beieinander bleiben kann – auch wenn ich ja schon in der Nachspielzeit bin.“
Glaube als Lebensbegleiter
Die Kirche – nicht als Institution, sondern als Halt – spielte immer eine Rolle in seinem Leben. „Kirche ist ein Hilfsmittel“, sagt er. „Orientierung, Hoffnung, etwas sehr Menschliches. Nichts Theologisches, sondern etwas, das das praktische Leben betrifft.“ Es ist ein Glaube, der trägt, ohne zu drücken.
Mit 90 Jahren blickt Walter Bayerlein erfüllt, mit Ruhe, Wärme und Witz auf sein Leben zurück und man wünscht man ihm vielleicht genau das, was er selber so treffend formuliert hat:
Noch möglichst viel gemeinsame Zeit und eine weitere Verlängerung der „Nachspielzeit“.
