Hundert Autoren aus diversen Ländern. Von der Schweiz über Schweden hin zu Schleswig-Holstein: mitten in Haar treffen sich jedes Jahr Spieleerfinder aus aller Welt um ihre neuesten Brettspiele zu präsentieren und probieren. B304.de durfte dieses Jahr im Haarer Bürgersaal mitspielen und hat den großen Gewinner gefunden: ein 10-Jähriger, der seine erste eigene Spiele-Kreation vorstellt.
Insgesamt arbeiten der Veranstalter Christian Fürst-Brunner und ehemalige Gründer und nun für Presseangelegenheiten zuständige Tom Werneck bereits seit dem vergangen Jahr an der internationalen Messe: „Die Organisation fängt so im Herbst des Vorjahres an,“ erklärt Christian Fürst-Brunner, hauptberuflich selbstständig in der IT-Branche tätig. Doch die Spiele haben es dem 46-Jährigen in seiner Freizeit angetan: „Spielen war schon immer Hobby. Hier in Haar gibt es ja einen regelmäßigen Spiele-Abend und der ist alle 14 Tage. Da habe ich die Möglichkeit außerhalb des Familien-und Freundeskreises zu spielen. Denn je älter man so wird und hat man Kinder, dann flacht das immer mehr ab. Tom Werneck habe ich so dort vor 15 Jahren kennengelernt.”
“Erste Priorität: Ausländer”
Dieses Jahr sind es wieder 100 Spieleerfinder, die auch Spieleautoren genannt werden. Sie kommen von weit hergereist, Schweden ist in diesem Jahr die entfernteste Autorendestination. Tom Werneck, sieht noch große Barrieren für nicht-deutschsprachige Spieleerfinder auf dem Markt und stellte deshalb folgende Regel für das limitierte Teilnehmerfeld auf: „Erste Priorität: Ausländer. Denn die tun sich im Markt schwer und wir wollen attraktive, gute, neue Ideen außerhalb des Marktes hier reinholen.“ Import also, anstatt auf eigene Stärken setzen? Nicht ganz! „Zweite Stufe ist, dass wir Leute aus München und Umkreis mit einem Zirkel von 30 Kilometern teilnehmen lassen.“ Der Rest wird mit innovativen Ideen außerhalb des Freistaates befüllt, wie der 76-Jährige Werneck berichtet. Ein Grund dafür: das Bayerische Spielearchiv – eine Haarer Institution, die der Gemeinde sehr am Herzen liegt. Den Familienvater Fürst-Brunner freut das: „Es ist auch hier viel der Gemeinde geschuldet, der der Saal gehört. Sie legt Wert darauf die ortsansässigen Vereine zu unterstützen, deswegen können wir die Saalmiete hier auch stemmen. Wir finanzieren uns nur über Spenden, wir verlangen keine Eintrittsgebühr, wir sind ein gemeinnütziger Verein.“
Eine Branche trifft sich
Besucher die nichts mit der Spielebranche am Hut haben oder darüber berichten, sucht man fast vergebens. Fürst-Brunner schätzt, das maximal ein, zwei Dutzend Menschen vorbeischauen im Haarer Bürgersaal – und das dann auch eher zufällig. „Viele Spiele sind zwar sehr schön, viele sind aber noch sehr einfach. Besucher sind willkommen und dürfen auch gerne gucken, es gibt aber wahrscheinlich interessantere Unternehmungen am Freitag (und Samstag; Anm. d. Red.) Nachmittag.“ Verbittert klingt das jedoch nicht, denn der Sinn der Messe liegt schließlich auch im brancheninternen Austausch, die Erfinder suchen Verleger und andersherum. Schätzungsweise zwischen fünf und zehn Prozent der angebotenen Spiele kommen, laut Fürst-Brunner, schließlich auf den Markt. Teilweise Jahre danach und mit einer komplett anderen Lackierung. Denn auf der Messe gibt es meistens nur handgemachte Prototypen, vom Material bis teilweise hin zum Spielablauf. Doch es gibt auch Rohdiamanten, die nur aufs geschliffen werden warten – dieses Jahr unter den Augen von Vertretern von insgesamt zehn verschiedenen Spiele-Verlagen.
Vier Interviews und ein Angebot
Einer, dessen Idee auf jeden Fall Potenzial hat, ist die des zehnjährigen Ben Jori Werneck, Enkel vom Gründer der Spieleerfinder-Messe. Eines Tages kam er zu seinem würfelbegeisterten Großvater und bat ihn sein erstes, eigenes Spiel zu begutachten und zu testen. Tom Werneck war anfangs wenig begeistert, befürchtete eine kindliche Nachahmung von Klassikern wie “Monopoly” oder “Mensch Ärgere Dich Nicht” – doch er irrte sich gewaltig. Sein Enkel entwickelte, kaum in der fünften Klasse des Gymnasiums angekommen, ein Wirtschaftsspiel. Ziel ist es auf einer fiktiven Straße die meisten Läden zu erkaufen, mit Hürden und Handel dazwischen. „Mein Berufswunsch ist es ehrlich gesagt Firmen- oder Ladenkettenbesitzer zu werden“, erzählt uns Ben Jori Werneck über seine ehrgeizigen Zukunftspläne. Das ihm das Spielen in die Wiege gelegt worden ist, merkt man im Gespräch mit dem aufgeweckten Schüler. Und genau deshalbt gelingt ihm auch das geschickte Spiel mit Verlegern und Presse. Stolz erzählt er, dass er zum Zeitpunkt unseres Interviews kurz vor Ende der Veranstaltung insgesamt „vier Interviews gegeben hat“. Auch ein Vertreter einer der größten Deutschen Verlage ist auf ihn aufmerksam geworden, überglücklich präsentiert uns der Basketball- und Fußball-Spieler die dazu passende Visitenkarte. Die „drei bis vier Monate Vorbereitungszeit“ haben sich also bereits voll ausgezahlt. Doch inwieweit hat der Großvater mitgeholfen? „Ich habe ihm geholfen, an genau einer Stelle: der Grafik, damit es ein bisschen nett hergerichtet ist. Aber die Regeln hat er selbst gemacht und der gesamte Spielablauf, der ist von mir unbeeinflusst,“ sagt Tom Werneck über den jüngsten Teilnehmer der Messe, der zugleich sein Enkel ist. Es bleibt abzuwarten, ob sein Spiel “Ladenkette” in der nahen Zukunft in den Spielwarenabteilungen erhältlich sein wird.
Bei noch viel größeren Messen wird das Spiel wahrscheinlich eher nicht zu bewundern sein. Das liegt allerdings nicht an der Konzeption, sondern daran, dass es viel bedeutender als die Messe in Haar kaum geht. Denn nächstes Jahr trifft sich dort bereits zum zwanzigsten Mal die Spieleerfinderelite aus aller Welt.