Der Jugendstilpark – ein neues Wohngebiet in Haar, ja ein neuer Ortsteil entsteht. Wer noch einmal den alten Zustand erleben möchte, sollte sich sputen. Nächste Woche bei der Gemeinderatsitzung (28.03.) wird wohl der Bebauungsplan abgesegnet. Und dann rücken die Bagger an. Ein im Osten einmaliges Areal wird aufbereitet – für 2000 Anwohner. Sie werden Wohnungen in 32 neuen, modernen Gebäuden, aber auch in aufbereiteten 36 alten, unter Denkmalschutz stehenden Häusern beziehen. Ein Rundgang durch das Bau- und Gartendenkmal.
„Es ist der letzte Moment, bei dem zu erleben ist, wie es war“, so begrüßt Bürgermeisterin Gabriele Müller. „Das Quartier wird sich in großer Geschwindigkeit verändern“.
Das Casino – perfekte Verbindung von alt und neu
Ein Musterbeispiel für ein optimal aufbereitetes denkmalgeschütztes Gebäude ist das Verwaltungsgebäude der Oberbayerischen Heimstätte/Deutsches Heim direkt am Eingang in den Jugendstilpark an der Casinostraße – das ehemalige Casino aus dem Jahr 1912. Hier erfolgte behutsame Anpassung an moderne Bedürfnisse, von den restaurierten Originalfenstern bis zu den designtechnisch perfekt integrierten Aufzügen. Das Highlight ist der umfunktionierte Dachboden als Besprechungsraum mit sämtlichen technischen Raffinessen. Dieses Jugendstilhaus soll als Vorbild für die noch zu renovierenden 36 unter Denkmalschutz stehenden Gebäude dienen. „Wir haben an den Hauptmauern nichts geändert, dafür alle Böden erneuert, Heizung, Elektro und Küchen neu eingebaut“, so Michael Zaigler, der Geschäftsführer. „Brandschutz und Denkmalschutz sind zusammen immer schwierig“ ergänzt er. Die Bürgermeisterin ist begeistert von der gelungenen Renovierung und wünscht sich dies für die noch anstehenden Häuser: „Unser Augenmerk geht auf die Qualität der Gestaltung. Beim Bebauungsplan sitzen wir mit am Tisch“. Dazu wurde von der Gemeinde ein sogenannter Gestaltungsbeirat gegründet, der beispielhaft für Haar sein soll. Diese Gestaltungskommission schaut bei jedem Gebäude im Jugendstilpark unter zusätzlicher Beratung von Denkmalschutz, Naturschutz und mit den Architekten auf die Einhaltung der Optik und des Gesamtbildes. „Das ist in einer normalen Bauausschusssitzung nicht machbar“, so die Rathauschefin. Schließlich ist im Haarer Jugendstilpark nicht das einzelne Gebäude geschützt, sondern das ganze Areal.
Dialog zwischen alten und neuen Gebäuden
Hinter dem bereits seit Januar 2017 bezogenen Casino wird ein Neubau entstehen, der ein Café beinhaltet mit einer herrlichen Südterrasse. Einige Meter weiter, auf der großen Grünfläche Richtung Vockestraße werden mehrere Neubestandsgebäude gebaut. Diese sollen nicht in Konkurrenz zu der Altbebauung treten, sondern sich zurücknehmen. Die Vorgaben sind klar, keine Balkone nur Loggias, die Ausführung und Qualität der Fenster ist vorgegeben und sogar die Außen Fassade hat sich anzupassen: geschlemmter Ziegel in der vordefinierten Farbe. Ganz in der Nähe entsteht das wohl erste neue Gebäude auf dem Areal, das Pflegeheim mit betreutem Wohnen, gebaut von der Gemeinde und gemietet vom Maria-Stadler-Haus. Spatenstich soll noch in diesem Monat erfolgen. Wir berichteten.
90 Neubau-Wohnungen belegt die Gemeinde
Weiter führt uns der Rundgang zu den ehemaligen Pflegerhäusern, die wie „eine Perlenkette“ das Gelände einrahmen. Der Grünstreifen dazwischen wird als zweite Reihe ebenfalls neu bebaut. Mit den Bauträgern hat die Gemeinde gut verhandelt – sie erhält für die Dauer von 25 Jahre 90 Wohnungen nach dem Haarer Modell. Was bedeutet, die Gemeinde vergibt zu sozial verträglichen Mietpreisen an sozial schwache Bürger.
Ein interessantes Gebäude, das zentral im 29 Hektar umfassenden Plangebiet liegt, ist das ehemalige Frauenhaus. Hier wurden hinter hohen Mauern die „unruhigen Frauen“ weggesperrt. Diese Mauer hat einiges Kopfzerbrechen verursacht. Sie ist auch Bestandteil des denkmalgeschützten Areals, muss aber zwecks Durchgang und Fahrweg geöffnet werden. Man hat sich auf das Stehenlassen der Pfeiler und nur das Herausnehmen einiger Mauerelemente geeinigt.
Kompromisse bei der Tiefgarage – keine Durchgangsstraßen
Angekommen im sogenannten Handwerkerhof kommt die Rede auf die geplante Tiefgarage mit circa 900 Stellplätzen „Bei der Stellplatzordnung mussten wir uns bewegen, wir schaffen es nicht, da die Tiefgarage nicht unter die denkmalgeschützten Häuser gebaut werden kann“, argumentiert Josef Schartel, der Haarer Bauamtsleiter. Es sollen zusätzlich genügend Stellplatzmöglichkeiten oberirdisch entstehen. Neben den Parkplatzlösungen ist auch die Straßenführung ein wichtiges Thema. Es wird keine Durchgangsstraße von der Vocke-zur Leibstraße geben, verkehrsberuhigte Bereiche werden dies verhindern. Auch der Naturschutz wurde nicht ausgelassen. Auf Fledermauspopulationen, seltene Vögel und vorhandenen alten Baumbestand wird Rücksicht genommen. „Naturschutz hat hier Bedeutung wie Denkmalschutz“ meint Bürgermeisterin Müller.
Vorsichtige Prognose zum Einzug: 2019/2020
Und zum Abschluss ein, der Bürgermeisterin wichtiges Thema: „Der Gemeinde gehört im Jugendstilpark gar nichts. Unsere Aufgabe ist es städtebaulich zu lenken und die Qualität zu erhalten“. Die Gemeinde Haar wird eine zusätzliche Kita bauen, sie wird die öffentlichen Gartenflächen zur Betreuung übernehmen, sie hat das Recht zur Belegung der 90 Wohnungen und das Maria-Stadler Haus betreibt das neue Pflegeheim. Auf die Frage, wann denn die ersten Bewohner einziehen werden, traut sich keiner konkrete Angaben zu machen. „So eventuell 2019/2010“, antwortet zögernd Fridolin Lippens von der Cubatur7 GmbH, die zehn der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude renovieren und zu Wohnungen umbauen wird.
Der Übersichtsplan präsentiert von Bürgermeisterin Gabriele Müller (Foto: B304.de)