Quelle: Michael Eibl

„30 Kilo Heimat” – eine Stimme für die Oma

von Catrin Guntersdorfer

Wenn Michael Eibl von seinem Film erzählt, blitzen seine Augen. „Als es am Ende Standing Ovations gab, war das schon ein sehr cooles Gefühl“, sagt der 19-Jährige und lacht. Doch hinter dem Projekt „30 Kilo Heimat“ steckt viel mehr als jugendlicher Enthusiasmus. Es ist die Geschichte einer besonderen Beziehung zwischen einem Enkel und seiner Großmutter – und die Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit, die bis heute nachwirkt.

Christl Eibl, Michaels Oma, kam 1940 im böhmischen Heiligenkreuz zur Welt. Sechs Jahre später wurde sie mit ihrer Familie in einen Viehwaggon verfrachtet und nach Westdeutschland deportiert. Nur 30 Kilo Habseligkeiten durfte sie damals mitnehmen. „Meine Oma erzählt mit einer großen Offenheit von dieser Zeit, von Verlust und von Wunden, die nie ganz verheilt sind“, erklärt Michael. Im Film begleitet er sie nicht nur zurück in ihre alte Heimat, sondern auch auf eine Reise durch Erinnerungen, die lange verschlossen blieben.

Michael mit Oma Christl in Tschechien (Foto: Michael Eibl)

Die Idee, einen Film über die Oma zu machen, entstand bei Michael bereits mit 12 Jahren an einem Kaffeetisch bei den Großeltern. Während die Erwachsenen von „damals“ sprachen, horchte er auf. „Auf dem Heimweg habe ich meine Mama gefragt, ob es okay wäre, wenn ich einen Film über Oma drehe. Die hat gesagt: frag sie!“, erinnert er sich. Christl Eibl zögerte nur kurz und stimmte dann zu.

(Foto: Michael Eibl)

Die ersten Aufnahmen waren noch improvisiert: eine Fotokamera, ein Mikro oben drauf, Oma auf der Couch, Michael daneben. Doch aus den kindlichen Versuchen wuchs ein ernstes Projekt. „2022 habe ich mir Freunde geschnappt und wir sind als Crew nach Tschechien gefahren. Dieses Mal mit einem Konzept dahinter.“ Insgesamt viermal zieht Michael das Interview mit seiner Großmutter komplett durch – eine Methode, die ihm half, jedes Detail festzuhalten. „Ich wusste irgendwann, was meine Oma erzählen könnte, auch wenn sie beim ein oder anderen Mal natürlich etwas vergessen hat. So konnten wir alles abdecken.“

Für Christl und Michael wurde der Film zu einer gemeinsamen Reise – und zu einer neuen Nähe. „Ich hatte schon immer ein gutes Verhältnis zu ihr, aber der Film hat das noch verstärkt“, sagt Michael. „Mir war es daher auch wichtig, für sie einen guten Film zu drehen – ich wollte das gut machen.“ Er grinst: „Bei diesem Film habe ich eine Disziplin entwickelt, die ich in der Schule nie an den Tag gelegt habe!“

Voll besetztes Haus bei der Premiere im Juli im Kleinen Theater Haar (Foto: Michael Eibl)

Als „30 Kilo Heimat“ im Juli im Kleinen Theater Haar Premiere feiert, ist der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Stimmung: bewegend. Auch Tränen fließen und das Publikum erhebt sich am Ende. Genau das hatte Michael gehofft: „Es war schon auch mein Ziel, die Leute emotional zu packen. Gut, wenn das geklappt hat.“

Michael mit seiner Crew und Oma Chrsitl auf der Bühne im Kleinen Theater. (Foto: Michael Eibl)

Doch „30 Kilo Heimat“ ist nicht nur ein Familienfilm. Michael verwebt Omas Geschichte mit Zeitzeugenberichten, historischen Hintergründen und der Frage, was Flucht und Vertreibung bis heute bedeuten. Sogar den Bürgermeister der Grenzgemeinde Mähring befragte er zu den Spuren der Vertreibung. Damit zeigt der Film, dass die Vergangenheit nicht abgeschlossen ist – und dass sie etwas mit uns allen zu tun hat.

(Foto: Michael Eibl)

Michael selbst zieht daraus auch Schlüsse für seine Zukunft. Nachdem sein Studium, gerade während der heißen Phase der Arbeiten zum Film mit seiner Oma, etwas gelitten hat, will er nun zielstrebig in Richtung Dokumentarfilm gehen. „Doku liegt mir am ehesten“, sagt er. „Ich glaube, es gibt in jeder Familie Geschichten, die man verfilmen kann. Man muss nur genau hinhören, was die Großeltern so alles erlebt haben.“ Für Michael, den jungen Filmemacher aus Haar, ist klar: „30 Kilo Heimat“ war für ihn erst der Anfang.

Am Freitag, 17. Oktober, 19 Uhr, ist „30 Kilo Heimat“ bei der vhs in Haar zu sehen. Im Anschluss folgt ein Gespräch mit Michael Eibl, Christl Eibl und Lourdes María Ros de Andrés, Leiterin der vhs Haar. Infos auf der Seite der vhs Haar.

(Foto: Michael Eibl)