Die Tafel Vaterstetten·Grasbrunn hat runden Geburtstag: vor 20 Jahren, im Februar 2002, öffnete der erste Tafelladen im Gemeindegebiet. Damals wie heute gibt es einsame und von Armut betroffene Menschen, Lebensmittel, die es wert sind, nicht vernichtet zu werden. Und damals wie heute gibt es Spenden und Helferinnen und Helfer, die sich persönlich hoch einsetzen. Ein Grund zu feiern? „Das Engagement der vielen Ehrenamtlichen rund um unseren Tafelladen ist gar nicht stark genug zu würdigen. Sie alle haben meinen Respekt. Ohne Sie würde nichts vorangehen“, sagt Franz Pfluger, 1. Vorsitzender des Vorstands der lokalen Nachbarschaftshilfe (nbh). In ihrer Trägerschaft läuft die Tafel Vaterstetten·Grasbrunn. „Der großartige Einsatz der Ehrenamtlichen gerade in diesen herausfordernden Zeiten ist tatsächlich immer eine Freude und vielleicht ein Grund zu feiern. Doch Armut und andauernde Lebensmittelverschwendung bilden nach wie vor die Existenzgrundlage der Tafeln. Und das macht nicht froh.“ Die hiesige Tafel ist eine von bundesweit aktuell 960 Tafeln im Dachverband Tafel Deutschland e.V. Ihre Historie vor Ort beginnt ohne Zweifel mit Baronin Heide Fleissner von Zastrow und Wostrowitz: Als engagierte Baldhamer Bürgerin mit italienischen Wurzeln konnte sie es seinerzeit nicht mit ansehen, dass „so viele wertvolle Lebensmittel von den Geschäften weggeworfen wurden. Welch eine Verschwendung!“, wie sie vor einiger Zeit schilderte. „Das war im Jahr 1999. Ich wusste, dass es auch in Vaterstetten und Baldham bedürftige Menschen gibt. Also bin ich zu den Supermärkten gegangen und habe sie um Lebensmittel gebeten. Die habe ich anfangs noch selbst im Auto zu meinen „Schäfchen“ transportiert.“
Der logistische Aufwand wurde immer größer. Die Baronin suchte bald einen Träger, dem sie die Aufgabe übergeben konnte. Sie fand ihn in der Nachbarschaftshilfe (nbh). Am 14. Februar 2002 wurde die Vaterstettener Tafel aktiv. Der erste Tafelladen war eine kleine Futterkammer auf dem landwirtschaftlichen Hof des späteren Vaterstettener Bürgermeisters Georg Reitsberger. Die Anfänge waren schwer. Tina Schäfer, erste nbh-Verantwortliche für die Tafel und mittlerweile in Rente, erinnert sich: „Dort war auch Tierfutter untergebracht, im Herbst körbeweise Äpfel. Kleintierzüchter nutzten die Kammer ebenfalls. Es gab nur einen Kühlschrank, der dann auch noch gelegentlich zweckentfremdet wurde. Letztlich erwies sich der Raum sehr schnell als zu beengt und ungeeignet für die Ausgabe von Lebensmitteln.“ Die anfangs etwa 25 Kunden mussten bei Wind und Wetter draußen warten. Im Sommer litten alle Beteiligten drinnen wie draußen unter der Hitze. Im Winter machte das andere Extrem Probleme – die Kälte. Schäfer: „Das war echte Pionierarbeit!“ Die Gemeinde Vaterstetten hatte ein Einsehen: im Herbst 2006 konnte die Tafel in den jetzigen Tafelladen neben das Vaterstettener Rathaus an die Möschenfelder Straße umziehen. Der Raum, eine ehemalige Feuerwehrgarage, war größer. Biertisch-Garnituren erlaubten auch einmal einen kleinen Kaffeeklatsch dank gespendetem Kaffee und Gebäck. Seither hat sich der Tafelladen durch Investition von Geld- und Sachspenden wie Kühlregale, Tische oder einer Außenmarkise zu einem akzeptablen Laden entwickelt.
Mit Beginn der Corona-Pandemie wurden Plexiglas-Wände installiert, Desinfektionsstationen und ein Einbahnstraßen-System eingerichtet, Hygiene-Hinweisschilder in mehreren Sprachen angebracht. „Der Schutz der Gesundheit unserer ehrenamtlichen und hauptamtlichen Beschäftigten ist nicht verhandelbar“, betont nbh-Geschäftsführer Oliver Westphalen. „Genauso wie der der Tafelkundinnen und – Kunden.“ Nur noch ganz wenige ehrenamtliche Helferinnen sind seit den Anfängen bis heute dabei. Wie Marion Kaufmann aus Vaterstetten, Tafel-Dame der ersten Stunde: „Ich erinnere mich, wie wir in den Anfängen bei schlechtem Wetter oft in Gummistiefeln zu unserem Tafelladen unterwegs waren. Der erste Winter war so kalt, dass wir uns nach der Lebensmittelausgabe mit Glühwein aufgewärmt haben. Wir waren eine kleine Gemeinschaft von Aktiven mit einem großen Zusammenhalt.“
Viele Ehrenamtliche haben indes zwischenzeitlich aus Altersgründen aufgehört. Häufiges Ausstiegsargument in den vergangenen beiden Jahren war die Sorge vor einer Corona-Infektion: „Ein Großteil der ehrenamtlichen Damen im Tafelladen gehörte zur Risikogruppe. Ein Rückzug war da nur zu verständlich“, räumt Geschäftsführer Westphalen ein. Im Regelfall passiert die Lebensmittelausgabe im Laden mit direktem Kundenkontakt. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer verteilen die verfügbare Ware über eine Theke an die Berechtigten. Westphalen: „Eine Zeitlang während der Pandemie in 2020 mussten wir per Anordnung den Tafelladen ganz schließen. Damals haben wir schnell einen Lieferdienst eingerichtet, Tüten und Pakete gepackt und die Waren unseren Tafelkunden bis vor die Haustür gebracht. Wir haben in dieser Zeit viel dankenswerte Unterstützung erfahren, neue Helferinnen gefunden, die bis heute dabei sind.“ So auch Sabine Oppolzer, die aktuell als nbh-Mitarbeiterin die Tafel Vaterstetten·Grasbrunn managt. Derzeit helfen 40 Frauen und Männer, indem sie regelmäßig Ware bei Lebensmittelhändlern abholen, zum Tafelladen transportieren, dort einsortieren, richtig lagern und wöchentlich donnerstags am Vormittag verteilen. Eine kleine Bilanz: Ende 2021 waren 85 Tafelausweise aktiv. „Dahinter standen insgesamt 129 Erwachsene und 101 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren“, resümiert Sabine Oppolzer. „Der Anteil der Über-65-Jährigen liegt bei 12 Prozent.“ Berechtigte erhalten den Tafelausweis über die nbh-Geschäftsstelle. Voraussetzung ist eine offizielle Bestätigung der Bedürftigkeit. Woche für Woche ist die Tafel Vaterstetten·Grasbrunn abhängig von Lebensmittelspenden.
Der örtliche Lebensmitteleinzelhandel, lokale Betriebe und Unternehmen unterstützen die Tafel. Nicht selten geben Privatpersonen persönlich Lebensmittel im Tafelladen oder in der nbh-Geschäftsstelle an der Brunnenstraße in Baldham ab. Die Gemeinden Vaterstetten und Grasbrunn sind engagierte Unterstützer der Tafel – erst kürzlich erhielt die Tafel ihren Doppelnamen – genau wie Schulen und Elternbeiräte, Vereine, Pfarreien, Kindergärten und Kinderhäuser. Die nbh sagt allen Spendern ein großes Dankeschön für die stetige und jahrelange Hilfe und freut sich auf viele neue helfende Hände im Tafelladen.